Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
den Eingängen, und der Burgfried bot mit seinem dichten Efeu einen romantischen Eindruck.
Während der Dauer unserer Fahrt hatten Van Strout und ich uns besser kennengelernt. Wir hatten einander unsere Geschichte erzählt, Erlebnisse und Gemeinsamkeiten gefunden. Nur unser gemeinsames Anliegen hatten wir sorgsam ausgeklammert. Nicht ein Wort hatten wir über das Herz des Drachen verloren.
Jetzt aber hielt es Van Strout nicht mehr. Er gab ein paar kurze, knappe Befehle unser Gepäck betreffend, und Diener beeilten sich, die Sachen seinen Anweisungen gemäß zu verteilen. Meine Sachen wurden in ein geräumiges Zimmer gebracht, welches sogar mit einem kleinen Kamin ausgerüstet war, doch ließ man mir keine Zeit, die Koffer auszupacken. Van Strout erwartete mich im ehemaligen Rittersaal, wo er sein alchimistisches Labor aufgebaut hatte. Schränke und Regale füllten den riesigen Raum bis zur Decke. Ein gewaltiger Globus bildete die Mitte des Arrangements. Auf den Tischen standen Glasflaschen, Destillierkolben, Kohlebecken und etliches Gerät, das dem Kenner offenbarte, dass der Besitzer der Utensilien sich wohl in der Kunst der Alchemie gut auszukennen schien.
Am Fenster, das mit Butzenscheiben verglast war und den Raum im Licht des Tages baden ließ, standen zwei lederne Sessel und zwischen ihnen ein kunstvoll geschnitzter Serviertisch in Form eines sich windenden Drachen. Eine sehr schöne Arbeit, voller Details. Man meinte, jede Schuppe am Körper des Tieres erkennen zu können. Ein Diener stellte Gläser auf das Tischchen, als ich hereinkam, und Van Strout saß in einem der Sessel, eine Flasche Branntwein in der Hand, und begrüßte mich.
„Da seid Ihr ja, lieber von Steinborn! Endlich!“
Der Diener entfernte sich, Van Strout füllte unsere Gläser und dann wandten wir uns dem Herz des Drachen zu.
Van Strout zog die Drachenkästchen hervor und ebenfalls die Gemme, die von dem dritten Kästchen stammte und legte sie auf den Tisch zwischen uns. Dann langte er unter das Tischchen. Es klickte ganz leise, als er einen versteckten Mechanismus betätigte und an der Seite des Tischchens sprang eine kleine Lade auf, die unter einem der Flügel des dargestellten Drachen verborgen gewesen war. Van Strout nahm ein kleines, in Leder gebundenes Büchlein heraus und legte es zu den Kästchen und der Gemme.
„Nun, lieber Freund“, begann Van Strout, „hier seht, was ich zusammengetragen habe in den letzten Jahren. Ihr wisst, dass Drachen nicht meine Hauptbeschäftigung sind und dies nur sozusagen kollaterale Informationen sind, die mir im Umgang mit meiner Passion unterkamen.“
Ich wusste sehr gut über die Beschäftigung Bescheid, der mein Gegenüber nachging. Rupert Van Strout war Niederländer aus der Provinz Holland, ein reicher Kaufmann, der sein Geld mit Gewürzen und Informationen gemacht hatte und den Niederlanden oft als geheimer Emissär diente und diplomatische Missionen der delikatesten Art durchführte. Er hatte sein Geschäft aufgegeben, als seine Frau und seine Tochter in seiner Abwesenheit von einer geheimnisvollen Krankheit dahingerafft wurden. Offiziell hieß es, sie seien an Schwindsucht und Blutarmut verstorben, doch seither widmete sich Van Strout der Jagd. Er jagte Vampire.
„Ich kann mir gut vorstellen, welchen Abstrusitäten Ihr begegnet sein mögt, Mijnheer. Mir selbst sind bei meinen Forschungen Dinge vor Augen gekommen, die das Herz eines Mannes gefrieren lassen konnten, mochte er auch stark und fest im Charakter sein. Da ich weiß, dass Ihr im Gegensatz zu mir nicht nur in der Theorie forscht, darf ich wohl annehmen, dass Eure Begegnungen von weit heftigerer Natur gewesen sind, als es die meinen waren. Sagt, was steht in dem Büchlein? Oder muss ich es wahrhaftig erst lesen? Dann würde ich darum bitten, dies am heutigen Abend tun zu dürfen und unser Zusammentreffen morgen weiterzuführen!“ Ich lächelte, wusste ich doch, dass die brennende Neugier im Holländer dies nicht zulassen würde. Er hatte sich schon die Tage unserer Fahrt über zurückhalten müssen und seine Eitelkeit würde es kaum zulassen, dass er sich der Freude beraubte, die Geschichte des Büchleins selbst zu erzählen und entsprechend auszuschmücken.
„Lieber Freiherr, der Mühe, die seltsam antiquierte Schrift in diesem Büchlein entziffern zu müssen, darf ich Euch als guter Gastgeber nicht aussetzen! Ich werde versuchen, Euch in kurzen Worten zu schildern, wie ich in den Besitz dieses Dokumentes gelangte und
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