Pestmond (German Edition)
Enterhakens zu kappen, doch er wurde von gleich drei Kugeln getroffen und sank reglos zu Boden. Wie um ihnen zu beweisen, dass sie tatsächlich beabsichtigten, ein Entermanöver wie aus dem Lehrbuch zu vollziehen, schwangen sich nun die ersten Angreifer an Seilen auf das Deck.
Der allererste bezahlte seinen Wagemut mit dem Leben, als Alis Säbel aufblitzte und das Seil samt der Hand kappte, die sich daran festhielt, doch im gleichen Sekundenbruchteil schon landeten zwei weitere Männer auf dem Deck. Einer hatte das Pech, auf einen gut handlangen Holzsplitter zu treten, den die Musketenkugeln seiner Kameraden aus den Planken gerissen hatten und seinen Fuß daran aufzuspießen, woraufhin er sich schreiend krümmte und von gleich zwei Schwertern durchbohrt wurde. Dem zweiten war das Schicksal noch weniger hold. Er enterte das Deck unmittelbar neben Abu Dun, sodass Andrej ihn packte und kurzerhand wieder über Bord warf.
Dann folgten nahezu ein halbes Dutzend Männer gleichzeitig. Es wären noch mehr gewesen, hätten sich nicht genau in diesem Moment die Taue der Enterhaken mit einem gewaltigen Ruck gespannt, der das Schiff wie unter einem Hammerschlag der Götter erbeben ließ und jedermann an Deck zu Boden schleuderte. Zwei, drei weitere Angreifer verloren den Halt an ihren Seilen und stürzten ins Wasser oder wurden zerquetscht, als der Sog des größeren Schiffes die Pestmond ergriff und sie zusammenprallten.
Das Musketenfeuer hatte aufgehört, sodass Andrej es nun wagte, hochzuspringen und sich auf die Ersten zu stürzen, die gerade schwerfällig auf die Beine kamen. Er hätte erwartet, dass auch Alis Assassinen die Gelegenheit nutzten, um sich zu einem letzten Widerstand zu formieren, doch lediglich zwei von ihnen schlossen sich ihm an, um die Angreifer zu attackieren, die anderen hasteten zu Ali, der das Tuch von seinem Korb gerissen hatte.
Ihm blieb keine Zeit, genauer hinzusehen, was darin war, denn er sah sich einer gleich fünf-oder sechsfachen Übermacht gegenüber. Den ersten rannte er einfach über den Haufen und überließ es den Assassinen, ihn endgültig zu erledigen, doch die anderen formierten sich blitzschnell zu einem Halbkreis, um ihn aus drei Richtungen zugleich zu attackieren. Sie waren keine Dummköpfe, und sie wussten, was sie taten.
Etwas krachte, und lodernd roter Feuerschein ergoss sich über das Deck, begleitet von einem gepeinigten Schrei, der mit erschreckender Plötzlichkeit abbrach. Doch Andrej blieb auch jetzt keine Zeit, sich umzusehen. Eine Speerspitze schrammte an seinem Rücken entlang und hinterließ eine Spur aus brennendem Schmerz, und aus der anderen Richtung stocherte ein Schwert nach seiner Kehle, während ein dritter Krieger versuchte, ihm den noch heißen Lauf seiner Muskete ins Gesicht zu rammen. Andrej überzeugte ihn mit einem Tritt in den Leib davon, dieses Vorhaben aufzugeben, zertrümmerte den Speer mit einem Ellbogenstoß und schlug das Schwert mit seinem eigenen Saif zur Seite. Die Pestmond erbebte heftig und legte sich so rasant auf die Seite, dass er um seine Balance kämpfen musste und im ersten Moment glaubte, einen Schlag in den Rücken bekommen zu haben. Doch die Erschütterung brachte auch seine Gegner aus dem Gleichgewicht, und mehr brauchte er nicht, um den lebenden Belagerungsring zu durchbrechen, zumal nun auch die beiden Assassinen heran waren und mit ihren Schwertern und Dornenhandschuhen in den Kampf eingriffen. Keiner der Angreifer überlebte die nächsten Augenblicke, doch auch einer der Assassinen trug eine üble Schnittwunde am Bein davon, die so tief war, dass er fast in der Lache seines eigenen Blutes ausgerutscht wäre, ihn erstaunlicherweise aber kaum zu behindern schien.
Andrej stieß den letzten Mann über Bord und ergriff den Saif mit beiden Händen, während er herumwirbelte und mit leicht gespreizten Beinen in einen festen Stand sprang, um dem nächsten und zweifellos noch gewaltigeren Ansturm zu begegnen.
Der jedoch nicht kam. Stattdessen sah er, dass an der Reling und der Takelage der Caravelle, die das kleinere Schiff endgültig an sich herangezogen hatte und nun hoch wie ein Haus über ihrer Bordwand aufragte, rote Flammen nagten. Offenbar enthielt Alis geheimnisvoller Korb eine Anzahl faustgroßer Tongefäße, die mit einem Lappen verschlossen und mit einer kurzen Lunte versehen waren, von denen nun einer der Assassinen eine in Brand setzte, um das improvisierte Wurfgeschoss nach einem der Männer oben hinter der Reling zu
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