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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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andere, es mit eigenen Augen zu sehen.
    Die Caravelle war mindestens dreimal so groß wie die Pestmond , und Andrej korrigierte seine Schätzung die Anzahl der Soldaten an Bord betreffend noch einmal um ein gutes Stück nach oben. Aus gut anderthalb Dutzend geöffneter Geschützpforten starrten ihnen ebenso viele Kanonenrohre entgegen. Andrej meinte ein rotes Glimmen hinter dem einen oder anderen wahrzunehmen, war aber auch jetzt nicht sicher, ob er nicht sah, was er zu sehen erwartete. Er hoffte es. So, wie er auch hoffte, dass Hasan mit seiner Behauptung recht hatte, denn wenn dieser Gigant auch nur eine einzige Breitseite abfeuerte, dann würde es keinen Kampf geben.
    Es war ein weiter Weg, zurück nach Jaffa zu schwimmen.
    »So sehr ich eure Schwerter hier vermutlich brauchen werde«, sagte Hasan, »wäre es mir dennoch lieber, einen erfahrenen Mann am Ruder zu haben, wenn sie angreifen.«
    »Und weitere in der Takelage, an den Segeln und auf den Rahen«, bestätigte Abu Dun, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Und wenn wir schon einmal dabei sind, würde ich mir dreißig gute Kanoniere an ebenso vielen Geschützen wünschen.«
    »Hast du nicht gehört, was dir gesagt worden ist, Mohr?«, fragte Ali.
    Abu Dun schnaubte verächtlich. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir dieses Schiff ausmanövrieren können, du Narr?«
    Ali wollte auffahren, doch Andrej brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Er hat recht, Ali. Wir werden kämpfen müssen.«
    Ali starrte den Nubier zornig an, doch Hasan beendete den drohenden Streit endgültig mit einem Nicken, und Andrej schickte einen anderen Mann ans Ruder.
    Der kurze Disput hatte der Caravelle ausgereicht, die verbliebene Distanz zwischen ihnen nahezu zu halbieren, sodass Andrej nun mehr Einzelheiten erkennen konnte – mehr, als Hasan, Ali und ihren Männern und auch ihm selbst lieb war. Zwar brannte auch an Deck der Caravelle genau wie auf der Pestmond nicht eine einzige Lampe, was es schwer machte, die Anzahl der Männer hinter der Reling zu schätzen, doch auf jeden Fall waren es zu viele, selbst für Abu Dun und ihn.
    »Sieh es positiv, Hexenmeister«, sagte Abu Dun auf Deutsch, der Sprache, die sie zumeist benutzten, wenn andere nicht mithören sollten. »Dieses Mal wissen wir wenigstens von Anfang an, wie es endet.«
    Die Caravelle hatte wieder ein wenig Fahrt verloren und kam nur ganz langsam näher. Andrej sah Licht, das sich auf den Helmen und Speeren der Männer an Deck spiegelte, aber auch auf den Läufen ihrer Musketen. Vieler Musketen. Fast neidisch dachte er an die Kettenhemden, die Hasan und die anderen unter ihren Mänteln trugen, dabei wusste er sehr gut, dass auch das beste Kettenhemd der Welt nicht vor einem Dutzend Musketenkugeln schützte, wenn sie aus geringer Entfernung abgefeuert wurden. Oder vor hundert.
    »Verdammt, worauf warten die denn?«, murmelte Abu Dun, nun wieder im gleichen arabischen Dialekt, den auch Hasan und die anderen sprachen. »Sie spielen mit uns!«
    Wie zur Antwort schwenkte der Bug des größeren Schiffes mit einem Ruck herum, und die Caravelle machte einen regelrechten Satz, mit dem sie die Distanz zwischen ihnen noch einmal glatt halbierte. Auf dem Bugspriet, der Andrej allein fast halb so lang vorkam wie die gesamte Pestmond , erschien eine einzelne Gestalt, die mit der linken Hand an einem Tau Halt suchte und mit der anderen einen metallenen Trichter vor das Gesicht hob.
    »Ahoi, Pestmond !«, wehte eine verzerrte Stimme über das Wasser. Andrej bemerkte einen leisen Akzent, den er nicht ganz einordnen konnte, der aber nicht Arabisch war. »Rafft die Segel und legt eure Waffen ab, dann verschonen wir das Leben jedes Mannes an Bord! Es gibt keine zweite Warnung!«
    »Wie überaus zuvorkommend«, grummelte Abu Dun. »Aber immerhin reden sie erst und schießen nicht gleich.«
    Hasan machte wieder eine jener winzigen Gesten, die nur derjenige sah, der sie erwartete, und seine Männer begannen sich ebenso unauffällig wie rasch hinter der kniehohen Bordwand aufzureihen. Ali folgte ihnen, wobei er den Weidenkorb mit dem Fuß vor sich herschob.
    »Schick einen Mann ans Ruder«, sagte Abu Dun, halblaut und ohne dass sich seine Lippen bewegten. »Wenn ich das Zeichen gebe, soll er nach Steuerbord schwenken, so hart er kann.«
    Andrej rührte sich ebenso wenig, wie Abu Dun es gerade getan hatte. »Hast du nicht gerade behauptet, wir könnten ihnen sowieso nicht entkommen?«, fragte er.
    Abu Dun starrte ihn finster an,

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