Pestmond (German Edition)
schleudern. Da der Zweck dieser simplen Konstruktion nicht schwer zu erraten war, rechnete Andrej fest mit einer Explosion, doch der Behälter zerbrach lediglich an der Schulter des Mannes und tränkte seine Kleider mit einer dunklen Flüssigkeit.
In der ersten Sekunde.
In der zweiten fing er mit einem einzigen, krachenden Schlag Feuer und verwandelte sich in eine lebendige Fackel, die verzweifelt mit den Armen schlagend zurückstolperte, flüssiges Feuer in alle Richtungen spritzend und Töne brüllend, wie sie keine menschliche Stimme hervorbringen sollte. Noch bevor er ganz außer Sicht war, schwang sich Ali mit einem Satz auf eines der Kanonenrohre, schleuderte eine weitere improvisierte Granate durch die Geschützpforte und ließ sich nach hinten fallen. Im gleichen Augenblick, als er mit einer Rolle wieder auf die Füße kam, zuckte ein greller Blitz auf, und die Geschützklappe spie Feuer einer anderen Art als die, für die sie gebaut war. Trümmer flogen und ein Chor gellender Schmerz-und Todesschreie erscholl, als die gesamte riesige Caravelle erbebte und die Erschütterung an die Pestmond weitergab, die sich prompt auf die Seite legte und ein Stück von dem größeren Schiff wegdriftete, bevor der natürliche Sog sie wieder ergriff und erneut gegen den Rumpf des größeren Schiffes prallen ließ.
Ächzend, als wollte sie in Stücke brechen, schüttelte sich die Pestmond wie ein wundes Tier und versuchte noch einmal freizukommen, nur um erneut und mit beinahe noch größerer Wucht gegen die Caravelle zu prallen.
Diesmal riss die Erschütterung alle an Deck von den Füßen, Andrej eingeschlossen, aber noch im Sturz schleuderte einer der Assassinen eine weitere Brandbombe, die außer Sicht geriet und dann mit einer grellen Stichflamme explodierte, die den Fockmast und einen Teil des Segels in Brand setzte.
Trotzdem ging der Angriff weiter. Zwei, drei mit langen Speeren bewaffnete Männer in Uniformen sprangen auf das Bugkastell herab und behinderten sich in ihrer Hast gegenseitig dabei, die schmale Treppe herunterzustürmen, nur um dann ebenso schnell von Alis Assassinen niedergemacht zu werden. Aus den Augenwinkeln bemerkte Andrej eine weitere Gruppe, die auf dieselbe Weise das Achterdeck enterte. Eines der Seile, an denen sie herüberschwangen, brannte bereits und riss, gerade als der Mann sich hoch in der Luft befand, sodass er sein Ziel verfehlte und ins Wasser stürzte, doch die beiden anderen rollten sich geschickt ab und waren sofort wieder auf den Beinen.
Andrej war mit einem halben Dutzend weit ausgreifender Sätze beim Achterkastell und stürzte die Treppe hinauf. Die beiden Soldaten versuchten ihn auf dieselbe Weise zu attackieren wie ihre Kameraden gerade, indem sie ihn aus entgegengesetzten Richtungen gleichzeitig angriffen, aber damit hatte Andrej gerechnet. Dem ersten stieß er die Klinge so tief in die Brust, dass sein spritzendes Blut seine Finger besudelte, schmetterte das Schwert des anderen mit der bloßen Hand zur Seite, ohne den reißenden Schmerz in seinem Fleisch zu beachten, und packte ihn an der Kehle. Blanke Todesangst loderte im Blick des Mannes auf, während er sich zurückwarf, mit beiden Händen nach Andrejs Handgelenk griff und mit verzweifelter Kraft daran zu zerren begann.
Er hatte nicht einmal den Hauch einer Chance. Mühelos riss Andrej ihn mit nur einem Arm in die Höhe, sodass die strampelnden Beine des Mannes in seinen Leib stießen, wirbelte ihn herum und holte Schwung, um ihn ebenfalls über Bord zu schleudern … und hielt erneut inne. Es bestand keine Notwendigkeit, den Mann zu töten. Wenn er ihn ins Wasser warf, dann war der Kampf für ihn so oder so vorbei, egal wer gewann – und selbst wenn, so war es niemals seine Art gewesen, einem Gegner unnötiges Leid zuzufügen.
Aber etwas … war anders, als er sein eigenes Blut auf dem Gesicht des Mannes, die panische Angst in seinen Augen sah, sein verzweifeltes Röcheln hörte. Vielleicht war es die schiere Qual, die er in seinem Opfer spürte, als es ebenso verzweifelt wie vergebens nach Luft rang und begriff, dass es nie wieder atmen würde, weil Andrejs Hand seinen Kehlkopf längst zermalmt hatte.
Andrej genoss diese Qual. Genauso gierig, wie sich das Ungeheuer in ihm auf die Lebenskraft seiner Opfer stürzte und sie aus ihnen herausriss, labte er sich nun an der Pein des sterbenden Mannes, genoss jedes Quäntchen wie einen Schluck des kostbarsten Weins.
Es war eine Gier, die, obgleich schon jetzt
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