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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Andrej fest. »Du bist ein Jude.«
    »Wäre ich es, dann wäre ich jetzt beleidigt«, erwiderte Hamed ernst. »Aber mit dem Wucher hast du vielleicht recht. Wenigstens ein bisschen. Ihr seid mit dem Schiff aus Byzanz gekommen?«
    »Byzanz?« Überrascht schüttelte Andrej den Kopf. »Nein, aus Konstantinopel.« Es war Jahrhunderte her, dass er jemanden die einstige Hauptstadt des oströmischen Reiches so hatte nennen hören. Der Alte schien angestrengt nachzudenken, bevor er nickte – ein wenig widerwillig, wie es Andrej vorkam.
    »Wer ist so verrückt, mit einem hochseetüchtigen Schiff einen Fluss wie den Nil hinaufzufahren?«, fragte er.
    »Jemand, der glaubt, eine Menge zu verlieren zu haben«, antwortete Andrej ausweichend und fügte dann, ohne nachzudenken, hinzu: »Und der jetzt tot ist.«
    »Dann hat er weit mehr verloren, als er jemals gewinnen konnte«, sagte Hamed. »Und du willst mir wirklich nicht erzählen, was passiert ist?«
    »Wenn du unbedingt darauf bestehst. Ich bin dir etwas schuldig, ganz wie du sagst.«
    »Aber du würdest dich nicht gut dabei fühlen, und ich wüsste nie, ob es die Wahrheit ist oder etwas, das du dir nur ausgedacht hast, um meine Neugier zu befriedigen.«
    Andrej nickte. »Habe ich schon erwähnt, dass ich dich für einen sehr klugen Mann halte?«
    »Ja«, antwortete Hamed. »Aber nicht oft genug.« Lachend beugte er sich vor und stocherte mit seinem Stock im Feuer, um die im Erlöschen begriffene Glut neu anzufachen. Das Ergebnis waren eine Menge Funken und Rauch, aber nicht wirklich mehr Wärme. Etwas im Rhythmus der tanzenden Flammen änderte sich jedoch, und Andrej, der gerade zu einer weiteren und nicht wirklich gelungenen schlagfertigen Entgegnung angesetzt hatte, behielt seinen lahmen Scherz für sich.
    Als sein Blick auf das Mädchen fiel, erkannte er, dass dessen Haut auf kunstvolle Art bemalt war.
    »Gefallen dir meine Tätowierungen?«, fragte Ayla und nahm den Schleier von der einen Hälfte ihres Gesichts, sodass Andrej sehen konnte, dass die feinen Zeichnungen nicht nur Stirn und Schläfen, sondern auch die Wangen bedeckten und an einer Stelle in einem verspielten Bogen ihren Mundwinkel berührten. Aber Andrej sah auch noch mehr, nämlich den Grund, warum sie sich entschieden hatte, ihre Haut auf eine Art zu verzieren, die sie ein Leben lang begleiten würde: lange Narben, die ihr Gesicht verheerten.
    »Sie sind … wirklich sehr hübsch«, antwortete er nach einem unmerklichen Zögern, was auch durchaus der Wahrheit entsprach. Die blauen und violetten Linien bildeten filigrane Muster und Symbole, verschlungene Buchstaben und Bilder, die auf eine so geschickte Art angeordnet waren, dass sie fast zu einem eigenen Leben zu erwachen schienen, wenn man nicht ganz genau hinsah. Dennoch stimmte ihn der Anblick traurig.
    Ihm fiel noch etwas auf, auch wenn er sich dessen fast schämte. Ayla roch nicht gut. Niemand, der in einer solchen Umgebung und unter den gegebenen Umständen lebte, duftete nach Rosenwasser, doch als das Mädchen den Schleier öffnete, schlug ihm ein süßlicher Geruch entgegen, wie von etwas, das sie schon lange Zeit unter ihrem Gewand verbarg und das schon seit fast ebenso langer Zeit tot war. Der Geruch war so intensiv, dass es Andrej einiges an Überwindung kostete, nicht vor ihr zurückzuweichen.
    »Hamed hat sie gemacht«, erklärte Ayla stolz. »Er ist ein richtiger Künstler. Und es hat auch fast gar nicht wehgetan.«
    »Andrej hat auch Tätowierungen«, sagte Hamed.
    »Aber sie sind nicht so schön wie deine«, sagte Andrej rasch. Es kostete ihn Mühe, das Mädchen nicht anzustarren. Wenn diese Tätowierungen tatsächlich von Hamed stammten (was ihm aus irgendeinem Grund zu glauben schwerfiel), dann hatte er ganze Arbeit geleistet. Aber selbst die kunstvollste Tätowierung der Welt vermochte die Narben nicht gänzlich zu überdecken. Es waren nicht die Spuren eines Unfalls oder einer Krankheit. Jemand hatte sie mit einem Messer verletzt, tief und bewusst und mit keiner anderen Absicht, als sie für den Rest ihres Lebens zu zeichnen.
    »Darf ich sie sehen?«, fragte Ayla.
    »Vielleicht in ein paar Jahren«, sagte Hamed rasch, und bevor Andrej in die Verlegenheit kam, etwas erwidern zu müssen. Er lachte. »So gut, dass ihr eure Tätowierungen vergleichen könntet, kennt ihr euch nun doch noch nicht.«
    Als Ayla ihn verständnislos ansah, sagte Hamed: »Warum gehst du nicht und holst uns noch ein wenig Brot? Und danach wird es Zeit für dich,

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