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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hinter dem Horizont verbirgt.«
    »Hinter dem Horizont? Kannst du jetzt hinter den Horizont sehen?«
    »Nein«, antwortete Abu Dun. »Nicht einmal ich kann ein Schiff sehen, das sich hinter der Krümmung der Erdkugel verbirgt.« Er machte eine Pause, um seinen nächsten Worten auch das gebührende Gewicht zu verleihen. »Aber man kann die Möwen sehen, die ihm folgen. Ein freches, aufdringliches Pack … aber manchmal sind sie doch von Nutzen.«
    Andrej setzte das Glas neu an und musste noch einige Augenblicke suchen, doch dann sah er es auch. Ein ganzer Schwarm winziger dunkler Punkte, die etwas umkreisten, das sich hinter dem Horizont versteckte. Er hätte diesem Phänomen vielleicht noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet, wenn er in diesem Moment nicht gespürt hätte, dass sich jemand näherte.
    »Dein Freund ist ein wirklich kluger Mann«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Und er hat sehr scharfe Augen.«
    Andrej drehte sich langsam um und sah auf Don Corleanis hinab. Im Stehen kam ihm der Schmuggler noch kleiner vor als vorhin und eindeutig noch fetter. Wenn auch nur halb so groß, so nahm er es an Leibesfülle doch mühelos mit Abu Dun auf, auch wenn er genauso wenig Muskeln wie Abu Dun Fett hatte. Er stand ein wenig breitbeinig da und hatte vermutlich lange geübt, um eine Haltung zu finden, in der er ohne Stock stehen konnte, ohne von seinem Schmerbauch nach vorne gezogen zu werden. Jeder andere Mann dieses Aussehens – noch dazu mit einer solchen Stimme – hätte einfach nur lächerlich gewirkt. Don Corleanis dagegen sah gefährlich aus, auch wenn Andrej beim allerbesten Willen nicht sagen konnte, wieso.
    Er war nicht allein gekommen, sondern hatte gleich drei seiner als Fischer verkleideten Schmuggler mitgebracht (auch wenn Andrej mittlerweile nicht mehr sicher war, ob es sich nicht in Wahrheit eher um Mörder handelte, die wie Schmuggler auszusehen versuchten, die sich als Fischer verkleidet hatten). Irgendwie, fand Andrej, passten die schweren Säbel nicht ganz dazu, die sie offen an der Seite trugen, ganz zu schweigen von den Steinschlosspistolen und Musketen.
    »Er hat es auch leichter als wir«, antwortete er lahm. »Immerhin sieht er von sehr viel weiter oben auf die Welt herab.«
    Der Scherz war nicht besonders gut, und in Corleanis’ Gesicht zuckte nicht einmal ein Muskel. Oder vielleicht doch, aber wenn, dann so tief unter seinen Fettpolstern, dass es nicht mehr zu sehen war. »Ist das eure Art, sich für unsere Gastfreundschaft zu bedanken?«, fragte er.
    »Seit wann« – Abu Dun setzte das Fernrohr ab und drehte sich betont langsam um – »muss man sich Gastfreundschaft verdienen?« Zwischen seinen Brauen entstand eine senkrechte, wie mit einem Messer eingeschnittene Falte, während er Corleanis’ Begleiter einen nach dem anderen musterte. »Nur drei? Sollte ich jetzt beleidigt sein?«
    »Was tut ihr hier?«, fragte Corleanis scharf. »Hatte ich euch nicht gebeten, das Dorf nicht zu verlassen?«
    »Wenn man es genau nimmt, nein«, antwortete Andrej, was der Wahrheit entsprach.
    »Du hast aber gesagt, es käme ein Sturm«, sagte Abu Dun.
    »Und er kommt auch«, behauptete Corleanis. »Ich spüre es in meinen alten Knochen, und ich kann es riechen. Meine Gicht und meine Nase haben mich noch nie getrogen. Aber ich gebe dir gerne ein Boot, und du kannst hinausrudern und auf den Sturm warten, wenn du mir nicht glaubst.«
    »Und dieses Schiff, das sich da hinter dem Horizont versteckt?«, fragte Abu Dun mit einer anklagenden Geste nach Osten.
    »Versteckt?« Wenn Don Corleanis den Ahnungslosen nur spielte, dann tat er es perfekt. Er lachte. »Du bist ein Dummkopf, schwarzer Mann. Das hier ist die Straße von Messina. Es vergeht keine Stunde, in der nicht mindestens ein Schiff an unserer Insel vorbeifährt.«
    »Und geben sich alle so große Mühe, nicht gesehen zu werden?«
    »Sie fahren unter Land«, antwortete einer von Corleanis’ Begleitern, wofür Andrej ihm dankbar war, denn Corleanis’ Stimme zu ertragen fiel ihm zunehmend schwerer. »In Sichtweite der italienischen Küste. Manche Kapitäne glauben immer noch, dass es hier Piraten gibt, und halten sich lieber weiter östlich.«
    »Und vergessen dabei die Riffe, die es vor der Küste gibt und auf die schon so manches Schiff aufgelaufen ist«, fügte sein Begleiter zur Rechten hinzu.
    Woraufhin das Wrack dann tatsächlich von Piraten ausgeraubt wurde, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen mussten, es aufzubringen, vermutete Andrej.
    »Wenn

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