Pestmond (German Edition)
Männer, die uns kontrollieren werden, wenn wir in den Hafen einlaufen auch nicht. Sie werden wohl mit dem Kapitän der Aphrodite und seinem ersten Offizier vorliebnehmen müssen.« Er deutete zuerst auf sich, dann auf Andrej. »Du sprichst doch Griechisch, oder?«
Kapitel 26
U nd was heißt das nun für uns?«, stellte Abu Dun eine halbe Stunde später dieselbe Frage, während sie nebeneinander in der Mitte des schmalen Steges standen und dem steten Strom von Männern zusahen, die Bretter, Segeltuch, Werkzeug, zusammengerollte Taue und Säcke und Körbe unbekannten Inhalts in ganz erstaunlicher Menge aus den beiden Lagerhäusern an Bord der Pestmond trugen. Wenn das Schiff wieder ablegte, dachte er, dann wären die beiden Lagerschuppen vermutlich genauso leer wie Hasans Geldbeutel.
Als Antwort auf Abu Duns Frage hob er nur die Schultern. Natürlich hatte er mit Hasan noch weiter über diese überraschende Neuigkeit sprechen wollen, doch der Alte vom Berge hatte es mit dem ihm eigenen Geschick verstanden, nicht einen einzigen Augenblick wirklich allein mit ihm zu sein.
Man hätte auch sagen können, er war ihm aus dem Weg gegangen.
Nach einer kurzen Weile, in der weitere Männer an ihnen vorbeigehastet waren und sie ganz unverhohlen neugierig (und ein bisschen feindselig) gemustert hatten, wiederholte er sein Schulterzucken und fügte noch hinzu: »Das weiß ich nicht. Ich nehme an, wir müssen niemanden töten, der schon tot ist.«
»Das wäre auch nicht das erste Mal«, antwortete Abu Dun mit der Andeutung eines Lächelns. »Und er hat tatsächlich behauptet, es käme ein Sturm?«
Andrej brauchte einen halben Atemzug, um dem jähen Gedankensprung zu folgen, doch dann hob er zum dritten Mal die Schultern und legte den Kopf in den Nacken, um in den Himmel zu blicken. Er war blau und so makellos, wie es nur ging. Nicht eine einzige Wolke war zu sehen, und zumindest hier hinter der gewaltigen Klippe war es absolut windstill.
»Das sagt er.«
»Dann ist er ein Narr«, schnaubte Abu Dun.
»Oder er hat den sechsten Sinn.«
»Den habe ich auch«, versetzte Abu Dun. »Und auch einen siebten und achten und sogar noch einen neunten, genau wie du … aber keiner davon warnt mich vor einem Wetterumschwung oder gar einem Sturm. Ganz im Gegenteil.« Er machte eine ausholende Geste auf die Pestmond, mit der er um ein Haar einen Mann vom Steg gefegt hätte, der sich gerade noch mit einem ungeschickten Hüpfer in Sicherheit bringen konnte. »Und was die zukünftige Aphrodite angeht: Dass sie noch seetüchtig ist, erkenne ich sogar auf eine Meile.«
Andrej hätte ihm gerne widersprochen, doch wie konnte er das? Abu Dun hatte mit jedem Wort recht. Es zog kein Sturm auf, und das Schiff befand sich im gleichen mehr oder weniger desolaten Zustand wie von Beginn ihrer Reise an.
»Dieser Kerl will uns aus irgendeinem Grund hier festhalten, und ich würde zu gerne wissen, warum«, fügte Abu Dun hinzu, als er nicht antwortete, sondern nur interessiert zusah, wie ein Matrose hinter ihnen auf das Deck hinaufkletterte.
»Warum fragst du ihn nicht einfach?«, schlug Andrej vor. Doch er bedauerte diese Worte bereits, bevor er die Frage ganz ausgesprochen hatte. Abu Dun machte ein Gesicht, als dächte er ernsthaft darüber nach, genau das zu tun, und Andrej konnte sich lebhaft vorstellen, wie. Dass sie sich in einem ganzen Dorf voller Schmuggler, Piraten oder Schlimmerem aufhielten, in deren Achtung Don Fettsack vermutlich unmittelbar unter Gott rangierte, würde ihn kaum davon abhalten. Und so, wie Abu Dun seine Fragen zu stellen pflegte, konnte das sehr schnell in einer handfesten Auseinandersetzung enden. Andrej ertappte sich bei der Erkenntnis, dass er vor einem möglichen Kampf mit Don Corleanis keineswegs zurückschreckte, sondern dieser Möglichkeit sogar mit einer gewissen düsteren Erwartung entgegenfieberte. Er hatte viel zu lange keinen richtigen Kampf mehr erlebt – kein Gefecht gegen hirn-und willenlose Kreaturen, die abzuschlachten ungefähr genauso großes Geschick erforderte wie Korndreschen, sondern ein Kräftemessen mit einem gleichwertigen Gegner, der ihn forderte und den er nur besiegen konnte, wenn er bereit war, sein eigenes Leben in die Waagschale zu werfen.
»Habe ich irgendwas Falsches gesagt?«, fragte Abu Dun. »Du siehst aus, als würdest du gleich zu sabbern anfangen.«
»Ich war nur … in Gedanken«, sagte Andrej ausweichend.
»Und wo?«, bohrte Abu Dun. »Bei einer schönen Frau oder deinem
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