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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schwert?«
    Andrej presste die Lippen zusammen und verzichtete darüber hinaus auf jede Antwort. Sie hätte es ohnehin nur schlimmer gemacht. Wenn man so lange mit einem Menschen zusammen war wie er mit Abu Dun, dann war es kaum möglich, noch irgendetwas voreinander zu verbergen. Aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass es ihm immer gefallen musste.
    »Ein Wort von dir, Hexenmeister, und wir verschwinden«, fuhr Abu Dun fort und deutete auf die angeblichen Fischerboote auf der anderen Seite des Steges. »Es ist nicht sehr weit bis zur italienischen Küste. Das schaffen wir sogar damit.«
    »Sogar bei Sturm?«, lächelte Andrej.
    »Sogar bei einem so schrecklich schlimmen Sturm wie dem, der uns nicht bevorsteht«, bestätigte Abu Dun.
    Andrej erwog diesen Vorschlag einen ganz kurzen Augenblick, aber dann schüttelte er doch den Kopf, und das nicht nur, weil er nicht annähernd so überzeugt war wie Abu Dun, es mit einer dieser Nussschalen tatsächlich bis zum Festland zu schaffen. »Hasan hat mein Wort.«
    »Wofür?« Abu Dun klapperte mit seiner künstlichen Hand. »Ich bin ihm nichts schuldig, Hexenmeister, und du auch nicht. Nicht dafür.«
    »Aber für dein Leben.«
    »Unsinn«, widersprach Abu Dun. »Der Kerl hat dich reingelegt, wann begreifst du das endlich? Wir sind ihm gar nichts schuldig. Und selbst wenn«, fuhr er mit leicht erhobener Stimme fort, als Andrej widersprechen wollte. »Der Kerl ist ein Mörder, ein Dieb und Intrigant, und das Wort Betrüger ist wahrscheinlich nur für ihn erfunden worden! Ich bin ihm nichts schuldig und du auch nicht.«
    Andrej schloss einen Moment lang die Augen. Er sah sich wieder auf rauem Wüstenboden sitzen, glaubte die Strahlen der aufgehenden Sonne in seinem Gesicht zu spüren und die Verzweiflung in seinem Herzen, noch weit entfernt von Trauer und Wut, nichts weiter als brennender Schmerz angesichts der Gewissheit, dass der Freund in seinen Armen nun endgültig tot war. Hasan hatte den Nubier kurz darauf auf eine Art von den Toten zurückgeholt, die Andrej bis heute unbegreiflich war, und er hatte inzwischen viel erzählt und noch mehr verschwiegen, was den Zustand Abu Duns anging. War der schwarze Hüne nun ein Toter, der noch einmal für eine begrenzte Zeit in die Welt der Lebenden zurückgekehrt war, oder nach wie vor ein Unsterblicher, der irgendwann wieder genesen und seine alte Kraft vollständig zurückerlangen würde – oder irgendetwas dazwischen?
    Andrej wusste es nicht. Es spielte auch keine Rolle, zumindest hier und jetzt nicht. Egal, was Hasan gesagt und getan hatte: Andrej spürte einfach, dass sie den Alten vom Berge nicht verlassen durften, wollten sie Abu Duns Leben nicht leichtsinnig gefährden.
    »Ich glaube nicht, dass es darum geht, wer wem etwas schuldig ist …«, begann er.
    »Doch, genau darum geht es«, unterbrach ihn Abu Dun. »Darum geht es immer. Wir müssen uns nur entscheiden, ob wir eine Schuld zurückzahlen wollen oder nicht.«
    »Und Ayla?«
    »Was soll mit ihr sein? Hast du nicht selbst gesagt, dass sie bei ihrem Vater in den besten Händen ist?«, erwiderte Abu Dun, machte aber zugleich eine besänftigende Geste. Ihm war nicht an Streit gelegen, begriff Andrej, was ungewöhnlich genug war, denn der Nubier ging normalerweise keinem Zwist aus dem Weg.
    »Wenn es dein Gewissen beruhigt, dann nehmen wir sie eben mit.«
    »Das würdest du tun?«, fragte Andrej überrascht. Nicht, dass er diese Möglichkeit auch nur entfernt in Betracht zog – aber es erstaunte ihn doch außerordentlich, dass dieser Vorschlag ausgerechnet von Abu Dun kam.
    »Aber Ihr wisst doch, dass ich alles tun würde, Euch glücklich zu machen, Massa«, antwortete Abu Dun.
    Darüber musste Andrej lachen, wurde aber gleich wieder ernst und schüttelte noch einmal den Kopf. »Lass uns später noch einmal darüber reden. Wir kommen hier ohnehin nicht weg.«
    »Und außerdem wolltest du schon immer nach Rom, um dort am Grab des Heiligen Pankreas zu beten«, vermutete Abu Dun.
    »Woher weißt du das?«
    »Du redest im Schlaf«, sagte Abu Dun.
    »Tatsächlich?«, fragte Andrej erschrocken. »Was habe ich sonst noch alles gesagt?«
    Abu Duns Feixen war jetzt eindeutig verschlagen. »Das willst du gar nicht wissen, glaub mir. Ich werde es bei passender Gelegenheit benutzen, um dich unter Druck zu setzen.«
    Das wiederum glaubte Andrej ihm sofort.
    Abu Dun griff unter seinen Mantel und zog ein poliertes Messingrohr hervor, das er mit einer geschickten Bewegung aus dem

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