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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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streckte den Arm nach dem Tier aus, konnte es aber nicht einmal annähernd erreichen. Abu Dun hatte ein wenig mehr Erfolg. Als er die Hand so weit nach unten streckte, wie er es gerade noch konnte, ohne auf der bröckeligen Kante den Halt zu verlieren, befanden sich seine Fingerspitzen allerhöchstens noch einen Zoll über dem Tier.
    »Es geht nicht«, sagte er überflüssigerweise.
    »Aber sie wird dort unten sterben!«, protestierte Ayla. »Sie wird elendig verhungern!«
    Abu Dun stemmte sich ächzend auf dem linken Ellbogen hoch, sah zu ihr auf und überlegte einen Moment angestrengt. Dann schüttelte er den Kopf. »Wohl kaum. Es gibt eine Menge Raubvögel hier, Falken und Adler, und sogar so manche Möwe ist groß genug, um …«
    »Du kannst doch hinabsteigen und sie retten!«, verlangte Ayla.
    Jetzt sah Abu Dun eindeutig ein bisschen erschrocken aus. »Du willst, dass ich mein Leben riskiere, um eine Ziege zu retten?«
    »Aber das tust du doch gar nicht«, sagte Ayla.
    Abu Dun starrte sie eine Sekunde lang auf eine Art an, von der Andrej inständig hoffte, dass Corleanis und seine Begleiter es nicht mitbekamen, und auch er musste sich beherrschen, um nicht zornig zu werden. Das war Erpressung! Begriff sie denn nicht, dass sie damit nicht nur mit Don Corleanis’ Leben spielte, sondern auch dem seiner Begleiter, falls es ihretwegen zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam?
    Abu Dun jedenfalls schien es zu wissen, denn er seufzte nur noch einmal sehr tief, maß Ayla mit einem Blick, der jedem anderen als Grund ausgereicht hätte, ihm mindestens eine Woche lang aus dem Weg zu gehen, und drehte sich dann in der Hocke herum, um alles andere als vorsichtig an der Felswand hinabzusteigen.
    Don Corleanis sog erschrocken die Luft durch die Nase ein. »Aber du willst doch nicht wirklich …?«
    Abu Dun krallte seine Eisenfinger so tief und sicher wie ein Steigeisen in den Fels, ließ sich das letzte Stück mit angeberischer Langsamkeit nach unten sinken und ging dann behutsam auf dem schmalen Sims in die Hocke.
    »Da ist ja unsere kleine Ausreißerin«, flötete er, gerade laut genug, um von Ayla auch wirklich verstanden zu werden. »Mit einer schönen würzigen Soße und knusprigem Brot … oh, was ist das?«
    Andrej beugte sich mit klopfendem Herzen weiter vor und sah, dass Abu Dun auf dem schmalen Sims auf die Knie gesunken war. Die junge Ziege hielt er in beiden Händen, was sie offensichtlich so erschreckte, dass sie zur Salzsäule erstarrt war und keinen Laut mehr von sich gab.
    »Das sieht aber gar nicht gut aus«, sagte der Nubier. »Ich brauche deine Hilfe, Hexenmeister.«
    »Was hat sie?«, fragte Ayla erschrocken. »Ist sie verletzt?«
    »Nicht schlimm«, antwortete Abu Dun rasch. »Aber ich verstehe nicht viel von solcherlei Dingen. Andrej kennt sich da besser aus. Wir wollen dem armen Ding doch nicht noch mehr wehtun, oder?«
    Andrej begriff endgültig, stieg weitaus vorsichtiger als der Nubier, aber so schnell wie möglich zu Abu Dun und der verletzten Ziege hinab und stellte fest, dass das Tier tatsächlich nur vor Schreck erstarrt und vollkommen unversehrt war. Abu Dun sah nicht wirklich die junge Ziege an, sondern blickte nach unten.
    Das Schiff, das so dicht an die Felswand herangefahren war, dass wirklich nur ein außergewöhnlich guter Kapitän mit einer mindestens genauso guten Besatzung hoffen konnte, nicht einfach mitsamt seines Schiffes zerschmettert zu werden, war wirklich gut versteckt. Er konnte lediglich den Bugspriet sehen, der im schwerfälligen Takt der Wellen unter dem Felsvorsprung herausstach und wieder verschwand. Abu Dun hatte recht. Es sah wirklich nicht gut aus.
    »Ist sie verletzt?«, rief Ayla von oben herab. »Wie schlimm?«
    Andrej tat immerhin so, als würde er das Tier untersuchen, schüttelte dann den Kopf und reichte das Zicklein an ausgestreckten Armen nach oben. Ayla riss es ihm regelrecht aus den Händen und presste es mit so großer Kraft an sich, dass es erschrocken zu meckern begann (und sich auf ihr Gewand erleichterte). Don Corleanis zog die junge Frau mitsamt der Ziege rasch ein gutes Stück von der Kante zurück.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Andrej, während er zugleich erneut die Arme ausstreckte und den Kopf schüttelte, als einer von Corleanis’ Männern die Muskete in seine Richtung hielt, damit er sich daran nach oben ziehen konnte. »Das ist nicht nötig. Ich kann durchaus …«
    Er verstummte, als er begriff, dass er sich schon wieder

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