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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und fragte nun an seiner Stelle: »Dann kannst du uns sagen, wie wir zurück nach Corleanis kommen, ohne dass uns jemand sieht?«
    Lucio sah zuerst Andrej an, dann Abu Dun und dann – in derselben Reihenfolge und sehr viel länger – ihre Waffen. Schließlich nickte er.
    »Ja«, sagte er. »Aber nicht jetzt. Wir müssen warten, bis es dunkel ist.«
    »Weil Don Corleanis und seine Räuberbande so gute Christenmenschen sind und jeden Abend bei Sonnenuntergang schlafen gehen und brav die Hände über der Bettdecke falten?«, fragte Abu Dun feixend.
    Vater Lucio maß ihn (und vor allem seine eiserne Hand) mit einem leicht irritierten Blick, und durch das dünne Holz der Tür meinte Andrej gedämpfte Laute zu hören: Schritte, ein Stampfen und Klirren und ein dunkles an-und abschwellendes Raunen und Murmeln wie von ferner Meeresbrandung oder einem noch ferneren Unwetter – oder einer aufgebrachten Menschenmenge, die ihren Zorn nur noch mühsam im Zaum hielt. Abu Dun war es auch nicht entgangen, doch er ließ sich nichts anmerken.
    »Es gibt nur einen Weg hinunter in die Bucht«, sagte Lucio schließlich, »und sie würden euch schon von Weitem sehen. Wir müssen warten, bis es dunkel geworden ist, und …«
    »Viel Zeit haben wir nicht«, unterbrach ihn Andrej. Ayla war auf dem Schiff, das spätestens mit Einsetzen der Flut in den kleinen Hafen einlaufen würde. »Es muss eine andere Möglichkeit geben.«
    »Nur wenn ihr euch unsichtbar machen könnt«, beharrte Lucio. »Es gibt nur den Weg über die Hügel, und es ist kein Zufall, dass dort kein Strauch und kein Baum wächst.«
    »Sie mögen keine unangemeldeten Gäste«, vermutete Abu Dun.
    »Nicht einmal angemeldete«, bestätigte der Geistliche. »Die Männer, die mit diesem arabischen Gewürzschiff gekommen sind, sind eure« – er maß Abu Dun mit einem bezeichnenden Blick – »Landsleute. Haben sie Übles im Sinn?«
    »Wer hat das nicht, in Zeiten wie diesen?«, sinnierte Abu Dun, schüttelte aber gleich den Kopf. »Sie werden euch nichts tun, wenn es das ist, was Euch Sorgen macht, Hochwürden.«
    »Vater«, korrigierte ihn der Priester. »Vater Lucio. Oder auch nur Lucio. Niemand hier nennt mich Hochwürden.« Er sagte es auf eine Art, als wäre es ihm ganz besonders unangenehm, ausgerechnet von einem Mann wie Abu Dun so genannt zu werden.
    »Du hast Angst, in etwas …« – Abu Dun schien nach dem richtigen Wort zu suchen und rettete sich in ein Achselzucken und ein Lächeln – »hineingezogen zu werden. Aber ich kann dich beruhigen. Diese Männer sind zweifellos gefährlich, aber nicht für euer Dorf.« Sein Grinsen wurde noch einmal breiter, und er machte eine Kopfbewegung hinter sich. »Du kannst deine Freunde zurückschicken, die da draußen mit Mistgabeln und Fackeln zusammenlaufen. Wenn sie sich zurückhalten, geht es für dich und deine Schäfchen sogar gut aus.«
    Lucio starrte ihn nur durchdringend an, und Andrej nutzte die Gelegenheit, um noch einmal genauer hinzuhören. Es klang nicht so, als kämen sie mit Fackeln und Mistgabeln, aber dort draußen versammelten sich ganz eindeutig Menschen. Viele.
    »Was soll das heißen?«, fragte Lucio schließlich.
    »Mit ein wenig Glück hat sich das Thema Don Corleanis morgen früh für euch erledigt«, antwortete Abu Dun lächelnd. »Meine Landsleute, wie du sie nennst, mögen es gar nicht, wenn man sie zu betrügen versucht.«
    Lucios Reaktion fiel ganz anders aus, als Andrej erwartet hatte. Er sah nicht begeistert aus oder auch nur misstrauisch, sondern eindeutig entsetzt. »Ich will nicht, dass noch mehr Menschen zu Schaden kommen. Sie mögen Verbrecher und schlechte Menschen sein, und Gott wird sie eines Tages für alle ihre Missetaten bestrafen, das ist gewiss. Aber es obliegt auch allein dem Herrn, eine solche Entscheidung zu treffen. Ich will nicht Blut an meinen Händen kleben haben. Nicht einmal das eines bösen Menschen.«
    Abu Dun verdrehte übertrieben die Augen, ließ aber zugleich mit einem hörbaren Klirren die metallene Hand auf die Schwertklinge an seiner Seite fallen. »Ich hatte auch nicht an deine Hände gedacht.«
    »Ich werde euch nicht helfen, noch mehr Unheil anzurichten«, sagte Lucio entschieden. »Ich werde …«
    »Und das müsst Ihr auch nicht, Vater«, unterbrach ihn Andrej. »Zeigt uns den Weg, und wir verschwinden aus Eurem Leben, als hätte es uns nie gegeben.«
    »Also, ganz so einfach wird es …«, begann Abu Dun, doch Andrej fiel ihm mit leicht erhobener Stimme und in

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