Pestmond (German Edition)
Zusammentreffen unter etwas zivilisierteren Umständen stattgefunden hätte, aber es gab ein paar Missverständnisse. Gewisse Vorsichtsmaßnahmen müssen getroffen werden.«
»Missverständnisse?« Eine interessante Formulierung. Andrej sah den Mann an, der ihm zu trinken gegeben hatte. »Mehr Wasser.«
Der Krieger gehorchte, wenn auch erst, nachdem Hamed ihm mit einem Nicken sein Einverständnis signalisiert hatte. Dieses Mal brachte er ihm eine ganze Schale, die Andrej mit wenigen großen Schlucken leerte. Er hätte gerne noch mehr getrunken und es vermutlich auch bekommen, verzichtete aber darauf, denn er spürte ein ganz leises Unwohlsein. Hamed alles gleich wieder vor die Füße zu speien wäre zwar auch ein Weg gewesen, ihm zu zeigen, was er von ihm hielt, aber dazu war später noch Zeit genug. Außerdem hatte Hamed seine Neugier geweckt, auch wenn er es ungern zugab.
»Was ist mit dem Mädchen?«, fragte er.
»Ayla?« Hamed schüttelte den Kopf, aber ein Lächeln huschte über seine Lippen. Anscheinend freute es ihn, dass Andrej diese Frage stellte. »Es geht ihr gut. Sie ist nicht verletzt.«
»Das ist nicht wahr, und das weißt du. Ich habe gesehen, wie …«
Er verstummte, als Hamed unter seinen Mantel griff und einen schmalen Dolch mit gekrümmter Klinge hervorzog. Ohne ein Wort der Erklärung zog er die Schneide über seinen Handrücken. Obwohl sie nicht einmal einen Kratzer hinterließ, schimmerten auf der Messerklinge winzige rote Tröpfchen.
»Dann hat sie also auch mitgespielt?« Andrej war mehr erstaunt als zornig. Dass es Hamed gelungen war, ihn zu täuschen, konnte er noch verstehen, denn er hatte schließlich ein ganzes Leben lang Zeit gehabt, das Lügen zu üben. Bei dem Mädchen überraschte es ihn. Er hätte seine eigene Menschenkenntnis höher eingeschätzt.
»Sie wollte so wenig wie ich, dass dir etwas zustößt«, antwortete Hamed. »Oder irgendeinem anderen. Du hast einen meiner Krieger verkrüppelt. Er wird seine Hand nie wieder richtig gebrauchen können.«
»Immerhin lebt er noch«, sagte Andrej verächtlich. »Darüber sollte er froh sein.«
»Ich fürchte, das sieht er etwas anders«, sagte Hamed. Er wischte das falsche Blut von der Dolchklinge und schob die Waffe wieder unter seinen Mantel, wobei Andrej etwas Goldenes an seinem Gürtel aufblitzen sah. Hamed lächelte verlegen, als sein Blick dem seinen folgte, und seine Fingerspitzen strichen schon beinahe zärtlich über den Griff des kostbaren Saif.
»Ich konnte nicht widerstehen«, gestand er. »Ich hoffe doch, du kannst es einem alten Mann verzeihen, dass er eine so prachtvolle Waffe wenigstens einmal tragen will. Du bekommst sie zurück, wenn wir uns einig werden.«
»Und wenn nicht?«
»Dann brauchst du sie nicht mehr«, antwortete Hamed, machte aber zugleich eine besänftigende Geste, die den Worten ihre Schärfe nehmen sollte. »Aber ich bin sicher, dass wir uns handelseinig werden, wenn du erst einmal gehört hast, was ich dir anzubieten habe.«
»Mich würde eher interessieren, was du von mir willst, Hamed … falls das überhaupt dein Name ist.«
»Endlich stellst du die richtigen Fragen«, sagte Hamed amüsiert. »Und ich hatte mir schon den Kopf über eine möglichst eloquente Überleitung zerbrochen. Mein Name ist Hasan, nicht Hamed.«
»Hassan.«
»Hasan«, korrigierte ihn der alte Mann. »Hasan as Sabah, um genau zu sein.«
Andrej tat immerhin so, als müsste er einen Moment angestrengt nachdenken, dann nickte er. »Hasan as Sabah. Du hast Humor. Oder bist ein bisschen größenwahnsinnig.«
»Gefällt dir dieser Name nicht, Andrej Delãny?«
Andrej entging keineswegs, dass der angebliche Hasan seinen vollen Namen benutzte, den er ihm nie genannt hatte. »Es ist ein Name. Aber der Alte vom Berge ist seit fünfhundert Jahren tot.«
»So wie ein gewisser Halbwaise und Kirchendieb aus dem Borsã-Tal«, bestätigte der angebliche Hasan, und nun machte Andrej aus seiner Überraschung keinen Hehl mehr. Doch statt etwas zu erwidern, lauschte er noch einmal mit all seinen Sinnen in sein Gegenüber hinein. Da … war etwas, das er nicht genau greifen konnte, aber Hasan war kein Unsterblicher wie er. Zwar waren andere ihrer Art – genau wie er selbst – durchaus imstande, ihre wahre Natur zu verbergen, aber nicht, wenn er wusste, wonach er zu suchen hatte, und schon gar nicht, wenn sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. Entschieden schüttelte er den Kopf. »Wenn du wirklich so viel über mich weißt,
Weitere Kostenlose Bücher