Pestmond (German Edition)
dann solltest du auch wissen, dass man mich nicht belügen kann«, sagte er. »Du bist kein Unsterblicher. Und du bist auch nicht der Alte vom Berge.«
»Unsterblicher …« Das Wort schien den angeblichen Hasan zu amüsieren. »Habt ihr euch so genannt, dein Freund und du? Wie erfrischend. Die meisten sprechen von Vampyren, aber das impliziert … unangenehme Gedanken. Und was den Alten vom Berge angeht …« Er hob die Schultern und nahm endlich die Hand vom Schwert. Andrej sah, dass an seinen schmalen Fingern mehrere schwere goldene Ringe blitzten, die er vorher nicht getragen hatte. »Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, dass es sich genauso gut um einen Titel handeln könnte wie um einen Namen?«
»Die Assassinen existieren nicht mehr«, beharrte Andrej. »Sie wurden ausgelöscht. Schon vor Jahrhunderten.«
»Ja, genau wie die Templer und die alten Götter der Pharaonen und so viele andere, nicht wahr?«, versetzte Hasan lächelnd. »Und die Dschinn.«
Andrej fuhr leicht zusammen, drängte die schrecklichen Bilder aber mit Erfolg zurück, die die Worte des Alten heraufbeschwören wollten. Worte, die er zweifellos zu keinem anderen Zweck ausgesprochen hatte.
»Und selbst wenn es so wäre«, sagte er, »was habe ich mit euch zu schaffen? Die Assassinen waren Mörder!«
»Ja, das sagt man«, antwortete Hasan. Wieder huschte ein schmales Lächeln über seine Lippen, als fände er diese Behauptung überaus belustigend. »Aber man sagt ja auch, dass es sie nicht mehr gibt.«
»Was also willst du von mir?«, fragte Andrej ungeduldig. Die düsteren Geschichten von den Assassinen und ihrem geheimnisumwitterten Herrn, dem Alten vom Berge, einer mächtigen Geheimorganisation aus Mördern und Attentätern, vor deren Macht der halbe Orient erzitterte und auch das eine oder andere Königshaus Europas, waren Legenden aus einer Zeit, die ein halbes Jahrtausend zurücklag, die man sich in einer kalten Nacht am Lagerfeuer erzählte, um den wohligen Schauer zu genießen, den sie heraufbeschworen.
»Von euch, Andrej«, verbesserte ihn Hasan. »Nicht von dir.«
Andrej sah Hasan fragend an, doch der drehte sich wortlos um und bedeutete ihm mit einer Geste, ihm zu folgen. Andrej sah nicht zurück, aber er konnte hören, dass sich ihnen Ali und mindestens zwei seiner Männer anschlossen.
»Ich habe dir diesen Ort nicht von ungefähr gezeigt, um deinen Freund hierherzubringen«, sagte Hasan, während sie nebeneinander durch die große Halle gingen, zu Andrejs vager Beunruhigung direkt auf die zum Teil im Einstürzen begriffene Wand zu.
»Sondern weil er so prachtvoll ist«, sagte Andrej spöttisch. »Ich verstehe.«
»Einst war er das wirklich«, entgegnete Hasan ungerührt. »Er hat mir meinen Namen gegeben und einen Großteil meiner Macht.«
»War deine Bergfestung nicht am anderen Ende der Welt?«
»Ja. Genau wie der Alte vom Berge getötet und die Assassinen bis auf den letzten Mann ausgelöscht wurden«, bestätigte Hasan lächelnd. »Ich kann verstehen, dass du mir nicht glaubst, Andrej. Ich an deiner Stelle täte es wohl auch nicht. Und ich wäre wohl eher besorgt, würdest du anders reagieren. Immerhin haben wir fünfhundert Jahre lang alles getan, um die Welt glauben zu machen, dass es uns nicht mehr gibt.«
»Weswegen du es mir ja jetzt auch so freimütig erzählst.«
Jetzt war es Hasan, der die Geduld verlor. »Belassen wir es für den Moment dabei, dass du einem alten Mann die Freude machst und einfach so tust, als würdest du den Unsinn glauben, den er redet«, schlug er vor. »Und vielleicht überzeugt dich ja auch das, was ich dir zeigen möchte.«
Als sie die Wand erreicht hatten, ging einer der angeblichen Assassinen mit ein paar raschen Schritten an ihnen vorbei und trat an eines der großen Feuerbecken, um eine Fackel zu entzünden, deren Licht einen halb eingestürzten Durchgang offenbarte, der tiefer in den zerstörten Teil der ehemaligen Bergfestung führte. Massive Balken stützten einen offensichtlich nachträglich eingezogenen Türsturz, der in Andrejs Augen allerdings so aussah, als genügte schon die Berührung eines Schmetterlingsflügels, um ihn einbrechen zu lassen. Der Assassine ging vor, und Hasan folgte ihm, ohne zu zögern. Andrej tat dasselbe, wenn auch nicht ganz so optimistisch. Im Stillen versuchte er auszurechnen, wie viele tausend Tonnen Fels und Ziegelstein wohl auf diesem einen Türsturz lasten mochten.
»Wohin gehen …?«, begann er nach ein paar Schritten und wurde von
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