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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gescherzt wird.«
    »In der Welt der Meuchelmörder und Giftmischer?«
    »Was mich zu der Frage bringt, wer von uns mehr Leben auf dem Gewissen hat«, sagte Hasan. »Eines Tages müssen wir uns zusammensetzen und eine Liste machen, wie zwei alte Kriegsherren, die ihre Schreckensbilanz vergleichen.«
    Aber er merkte wohl selbst, dass er den Bogen überspannte, denn er bemühte sich nun unverzüglich um einen ernsteren Gesichtsausdruck und den dazu passenden Ton.
    »Ich erzähle dir gerne alles, was ich über die Dschinn weiß«, sagte er, »auch wenn es wohl meist nicht mehr als Legenden sind. Wir haben eine lange Reise vor uns und sind bestimmt froh über jeden Gesprächsstoff, den wir finden … aber jetzt muss ich tatsächlich aufbrechen. Und du solltest dich um deinen Freund kümmern, bevor er dem armen Kasim am Ende noch etwas antut. Ich brauche ihn noch.«
    Erst als er in die Richtung wies, bemerkte Andrej das halblaute Gebrüll, das aus dem Zelt drang, in dem er Abu Dun und den Arzt zurückgelassen hatte. Kasim schien die Grenzen der Duldsamkeit seines Patienten herausgefunden zu haben.
    »Wir sehen uns in drei Tagen«, sagte Hasan, »auf dem Fluss.«
    »Auf dem Fluss? Ich hasse Schiffe!«
    »Ich weiß«, sagte Hasan, schickte – natürlich – ein schadenfrohes Grinsen hinterher und ging davon. Andrej starrte ihm finster nach und wartete, bis er zwischen den Zelten verschwunden war, bevor er zu seinem eigenen Zelt zurückging, um den Arzt aus seiner misslichen Lage zu befreien.
    Doch ohne sich sonderlich zu beeilen.

Kapitel 8
    A ndrej war noch nie in dieser Stadt gewesen, und aus der Ferne war er ein wenig enttäuscht von ihrem An blick. Von einem so geschichtsträchtigen Ort hätte er sich mehr erwartet. Immerhin hatte sich hier nicht nur das Schicksal des Orients entschieden, sondern wohl auch das des Abendlandes.
    Trotzdem fragte er sich, ob Jaffa die Bezeichnung Stadt wirklich verdiente. Nicht, weil sie so klein war oder es ihr an Pracht gemangelt hätte. Die Stadtmauern waren dick und beeindruckend hoch und hatten in der Vergangenheit mehr als einmal bewiesen, dass sie auch dem Ansturm eines weit überlegenen Gegners trotzen konnten, und selbst aus der großen Entfernung erkannte man die vergoldeten Spitzen von Minaretten und kunstvoll gedeckte Dächer, die sich noch ein gutes Stück über die Mauer erhoben und die man auch in einer Stadt wie Konstantinopel oder Kairo hätte finden können. Die Stadt selbst hatte die Grenzen ihrer Mauern längst gesprengt und sich an drei Seiten auf das umliegende Land ausgebreitet, sodass das historische Jaffa nun eher wie eine kleine Festung in ihrem Herzen wirkte, und die ehemalige Zitadelle, über deren Zinnen vor einem halben Jahrtausend eine trotzige Pilgerfahne geweht und König Richard zu einer Heldentat veranlasst hatte, die die Geschichte gleich zweier Kontinente veränderte, offenbarte sich nur dem kundigen Auge, das wusste, wonach es Ausschau zu halten hatte.
    Dennoch kam sie Andrej nicht wie eine Stadt, sondern viel eher wie ein Dorf vor, das vorgab, eine Stadt zu sein, und das doch immer ein Dorf bleiben würde, und wenn es noch zehnmal so viele Einwohner hatte.
    »Du siehst ein wenig enttäuscht aus, mein Freund. Hast du etwas anderes erwartet?«
    Andrej war verstimmt, dass man ihm seine Gefühle so deutlich anzusehen schien. Er sah auf den neben ihm reitenden Hasan hinunter, wartete aber ein weiteres magenumstülpendes Schwanken des Kamels ab, bevor er antwortete: »Ich hätte in der Tat ein wenig mehr erwartet.«
    »Und was?«, erkundigte sich Hasan freundlich. »Eine dreißig Fuß hohe goldene Statue des Mannes, der diesem großen Land den Todesstoß versetzt hat? Oder ein Standbild des Narren Saladin, der ihm dabei auch noch den Dolch gehalten hat?«
    Die Wahrheit war ein wenig simpler. Der eigentliche Grund für Andrejs sinkende Laune befand sich auf der anderen Seite der Stadt und noch ein gutes Stück weit draußen auf dem Meer, aber er war entschlossen, Hasan nicht den Triumph zu gönnen, auszusprechen, was dieser ohnehin schon ahnte. Und nach fast einer Woche auf dem Rücken eines Kamels begann er zu zweifeln, ob Schiffe tatsächlich die unbequemsten Beförderungsmittel darstellten, die er kannte. Aber immerhin wusste er jetzt, warum man diese Biester auch Wüstenschiffe nannte.
    »Letzten Endes zählt doch nur, dass Richard Saladins Heer damals geschlagen hat, oder?«, fragte er.
    »Ja, das ist es wohl, was sich die Leute erzählen«, seufzte

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