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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hasan. »Aber was die Leute sich erzählen und was wirklich geschehen ist, ist nicht immer dasselbe.«
    »Ja, und gleich wirst du uns erzählen, dass du dabei gewesen bist«, spottete Abu Dun, der auf der anderen Seite ritt. Ob aus Naivität oder um ihnen zu demonstrieren, wie sicher er sich fühlte, hatte Hasan – sehr zu Alis unverhohlenem Missvergnügen – darauf bestanden, allein und unbewaffnet zwischen ihnen zu reiten, kaum dass er wieder zu ihnen gestoßen war.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Hasan. »Also, natürlich nicht ich selbst. Aber es war jemand dabei, der es einem erzählt hat, der es an jemanden weitergegeben hat, der mit einem gesprochen hat, der einen anderen …« Er brach mit einer flatternden Geste ab und sah Abu Dun und Andrej abwechselnd an. »Ihr versteht?«
    »Ja!«, antworteten Andrej und Abu Dun wie mit einer Stimme und mehr als nur eine Spur zu laut. Hasan machte ein beleidigtes Gesicht.
    »Was ist denn nun damals wirklich passiert?«, fragte Andrej nach einer Weile.
    Hasan funkelte ihn an. »Richard Löwenherz hat mit kaum zweitausend tapferen Recken das sechsmal so große Heer des Feiglings Saladin in die Flucht geschlagen, weil Gott der Herr persönlich auf seiner Seite war, das weiß doch jeder«, sagte er patzig. »Und wenn es jeder weiß, dann wird es wohl auch so gewesen sein.«
    Abu Dun seufzte, sagte aber nichts, als Andrej ihm einen warnenden Blick zuwarf.
    Die restliche Strecke legten sie schweigend zurück, bis das Dutzend Kamelreiter und der kleine Tross aus Packtieren die ersten Ausläufer der Stadt erreichten. Die ersten Häuser, an denen sie vorbeikamen, hätten tatsächlich, wie Andrej schon aus der Ferne vermutet hatte, gut in das ärmliche Wüstendorf gepasst, in das ihn der angebliche Hamed gebracht hatte. Ziegen und Schafe verstopften die schlampig gepflasterte Straße, und eine Zeit lang folgte ihnen eine Schar johlender Kinder, die sie um Geschenke anbettelten oder mit Schmährufen bedachten, bis Hasans Leute sie grob davonscheuchten. Danach folgten sie ihnen in größerem Abstand und bewarfen sie mit den Hinterlassenschaften der Schafe und Ziegen.
    Andrej versuchte nicht einmal, das schadenfrohe Grinsen zu unterdrücken, das sich auf sein Gesicht stahl. Wenn Hasan wirklich der war, der zu sein er behauptete, dann war das ganz bestimmt nicht die Art von Empfang, die er gewohnt war.
    Erst als sie den historischen Stadtkern jenseits der Mauer erreichten, änderte sich das Bild. Vor dem beeindruckenden Tor stand eine doppelte Wache, die der kleinen Karawane jedoch nicht einmal einen Blick schenkte und sie kommentarlos passieren ließ. Jaffa mochte Andrej provinziell erscheinen, doch es war eine Hafenstadt, und Reisende waren hier nichts Außergewöhnliches. Immerhin blieben die Kinder hinter ihnen zurück, doch dafür spürte Andrej jetzt den einen oder anderen misstrauischen Blick im Rücken.
    Dabei hatten Hasan und seine Männer alles getan, um nicht als das erkannt zu werden, was sie waren. Abgesehen von Abu Dun trug niemand Schwarz, und keine einzige Waffe war zu sehen. Dennoch musste die ganze Karawane etwas Bedrohliches umgeben, denn die Gespräche, die die schmalen Gassen wie das Summen eines aufgeregten Bienenschwarms erfüllten, verstummten abrupt, und der eine oder andere Passant sprang ein wenig zu hastig aus dem Weg, wenn sie näher kamen.
    Für eine Weile konnte er sich noch einreden, es läge an Abu Duns beeindruckender Erscheinung, musste sich aber bald eingestehen, dass die wenigen Blicke, die den Nubier direkt trafen, allenfalls neugierig oder staunend waren, aber kaum ängstlich.
    »Was tun wir hier eigentlich?«, fragte er schließlich. »Ali hat mir erzählt, dass wir heute noch an Bord gehen wollen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so versessen darauf bist, gleich wieder auf ein Schiff zu kommen«, antwortete Hasan. »Hätte ich es geahnt, dann hätte ich selbstverständlich entsprechende Vorbereitungen getroffen.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Aber ich kann gern ein Boot besorgen, das dich auf das Schiff bringt, falls du die Nacht lieber dort verbringen möchtest. Ich werde Bescheid geben, dass man dir meine Kajüte überlässt.«
    »Wir übernachten hier?«, vergewisserte sich Andrej. Warum gefiel ihm dieser Gedanke nicht?
    »Es gab eine Verzögerung«, räumte Hasan ein – was einigermaßen schmeichelhaft war, fand Andrej. Jaffa lag am anderen Ende des Landes, und ein gehöriges Stück vom Nil entfernt, auf dem sie tatsächlich den

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