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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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weitergehen, bis zu jenem folgenschweren Tag.

    Es war November und stockfinster. Ein feiner Nieselregen trug den Geruch der Kohlewolken weiter, die über London hingen, sobald die Leute begannen, die Winterfeuer zu entzünden. Die Werkstätten und Ställe in Westminster Hall in der Nähe des Gerichts, wo man sich um die besten Geschäfte rangelte, waren längst geschlossen. Ich drückte mich mit den anderen Boten herum und wartete darauf, dass das House seine Sitzung für heute beendete. Ungewöhnlicherweise war noch kein Abgeordneter nach Hause gegangen. Manche der Boten waren dagegen bereits im Pot eingekehrt. Ich verkroch mich in eine Ecke, zog einen abgelegten Sack über mich und döste. Weit entfernte Schreie weckten mich. Ein Nachtwächter rief die mitternächtliche Stunde aus. Die Schreie kamen aus dem House. Kein Amtsträger stand an der Tür, und ich schlich in den Vorraum.
    Selbst ich, für den die Worte, die in der Kammer des Parlaments widerhallten, so viel bedeuteten wie das Lateinische, das mein Lehrer mir einzuprügeln versuchte, wusste, dass etwas Außergewöhnliches vorging. Mr Lenthall, der Speaker, musste immer wieder zur Ordnung rufen. Es folgte eine Stille, in der meine Schritte klangen, als sei das Jüngste Gericht angebrochen. Mein alter Feind, der Serjeant, drehte sich an der Tür zum Saal um, doch ich schlüpfte hinter einen Pfeiler.
    »Der Antrag ist angenommen!«, verkündete Mr Lenthall.
    Wie der Antrag lautete, wusste ich nicht, und es interessierte mich auch nicht, außer dass ich bald Mr Pyms Rede in den Händen halten würde und gehen könnte. Es gab einen gewaltigen Tumult, noch mehr Geschrei und Füßestampfen und Rufe nach Ordnung, bevor die Abgeordneten herauskamen, immer noch erbittert streitend.
    Mr Pym trat mit einem Abgeordneten von etwa vierzig Jahren heraus. Sein Begleiter hatte ein grüblerisches Gesicht, eine lange Nase und einen strubbeligen Bart. Ich kannte ihn nur von den Gelegenheiten, wo er mich mit finsterem Gesicht verjagte, wenn ich zu dicht vor seinen Füßen herumkrauchte. Normalerweise hielt er langatmige Reden über die Trockenlegung der Sümpfe und sah aus, als hätte er diese Arbeit gerade hinter sich gebracht. Jetzt lag ein Ausdruck beinahe religiöser Entzückung auf seinem Gesicht, als er zusammen mit Mr Pym aus dem Saal trat.
    »Wenn dieser Antrag nicht angenommen worden wäre, John, hätte ich alles verkauft und wäre nach Massachusetts gegangen.«
    Pym lächelte den jüngeren Mann an, aber wie gewöhnlich lag ein Ausdruck der Wachsamkeit und Erschöpfung in seinen Zügen. »Wir haben die Neue Welt noch nicht hier, Oliver. Sie versuchen bereits, sie zu vernichten.«
    Er blickte zu einer anderen Gruppe hinüber, in deren Mitte George Goring stand, ein gutaussehender Mann, der wild um sich blickte und energisch gestikulierte.
    Sie, die neue Welt?
    Goring schrie: »Ihr könnt dem König nicht solche Forderungen unterbreiten!«
    Seine Hände wanderten zu seiner Taille, und wenn Degen im Parlament erlaubt gewesen wären, hätte er den seinen gezogen. Er ging auf John Pym zu, doch dieser war bereits mit anderen in einem Besprechungszimmer verschwunden. Ich hörte Goring murmeln, dass es genug der Worte und zu spät für ein Treffen sei.
    Die Mitglieder einer weiteren Gruppe um Sir Simon D’Elwes, der in jeder Debatte eine Seite vollkommen überzeugend fand, bis er die Argumente der anderen hörte, stellten fest, dass sie dringende Geschäfte in den Grafschaften zu erledigen hatten und schickten ihre Diener aus, um die Pferde bereitzuhalten.
    Verschiedene Abgeordnete schritten durch die Halle und diktierten den Schreibern etwas. Manche von ihnen, wie Mr Ink, hatten tragbare Schreibtische an ihren Hüften befestigt.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    Zuerst gab er mir keine Antwort. Er fertigte eine saubere Abschrift der Notizen an, die, wie ich wusste, von Mr Pym selbst stammten und die er mit seinem spinnenhaften Gekritzel hingeschmiert hatte. Er nahm Tinte auf. Die Feder flog über das Papier.
    Dann sagte er, wobei er seine Abschrift kaum unterbrach: »Die Große … Remonstranz!«
    Selbst in seiner Hast schien er die Worte wie eine Fanfare auszustoßen, als würde er einen Fehdehandschuh werfen.
    »Die Große … was? Was ist das?«
    Verdrossen schlug er die Hand vor die Stirn und versuchte weiterzuschreiben, aber er hatte den Faden verloren. Er wandte sich mir zu. Einen Moment lang glaubte ich, er würde die tropfende Feder nach mir werfen. Dann

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