Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
vorzöge, meine Teufel zu behalten.
Alle schüttelten den Kopf über mich, alle bis auf Anne, die, sobald der Pfarrer gegangen war, sagte, sie sähe keine Teufel, und sich weigerte, irgendjemand anderes in die Kammer zu lassen. Sie brachte mir Essen und Trinken, trat mit schmalen Lippen ihrer Mutter entgegen, die sie schalt, weil sie sich wie ein Dienstmädchen gebärdete.
Doch allmählich verblassten die Teufel oder Visionen oder was immer es war. Eines Tages wachte ich auf, und Bruchstücke des Schlachtfelds waren mir wie üblich in meinen Träumen erschienen, doch an diesem Morgen war es anders. Mir war wieder eingefallen, so deutlich, wie ich mich auch nur erinnern konnte, was geschehen war, nachdem ich von Luke fort und meinem Vater hinterher auf das Schlachtfeld gerannt war. Mr Black hatte mir erzählt, dass Richard Stonehouse in einem der Flugblätter als vermisst aufgeführt worden war. Seine Leiche hatte man nicht gefunden. Ich hatte das Gefühl, sobald wie möglich Lord Stonehouse aufsuchen zu müssen. Ich stand aus dem Bett auf und wäre beinahe hingefallen, wenn ich mich nicht an einen Stuhl geklammert hätte. Anne kam angerannt und sagte, ich solle mich wieder ins Bett legen. Ich schüttelte den Kopf, ließ mich jedoch schwerfällig auf den Stuhl sinken.
»Bist du wieder da?«, flüsterte sie.
Ich nickte.
»Bist du Tom?«
Ich nickte.
»Kannst du sprechen?«
Ich lächelte. »Ja.«
»Das macht komische Sachen mit deiner Narbe. Lächle noch einmal.« Ich lachte. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich!«
»So sehr wie die Countess?«
»Was soll das mit der Countess?«
Automatisch tastete ich nach ihrem Brief, den ich unter dem Hemd bei mir getragen hatte, und sie reichte ihn mir. »Ich habe geholfen, dich auszuziehen. Mit Sarah … Erinnerst du dich nicht?« Sie wurde rot. »Nur den oberen Teil. Meine Mutter war entsetzt.«
Ich las erneut Ich Hoffe, du denkst an mich so Wie Ich an Dich und nicht an deine Countess und war entsetzt, als sie mir erzählte, was sie zu diesem Satz veranlasst hatte. Nachdem Eaton und ich aus Poplar zurückgekehrt waren, um im Seven Stars zu übernachten, ehe wir nach Highpoint aufbrachen, war ich auf der Suche nach Kate zum Bedford Square gegangen. Zur selben Zeit hatte die Countess mir einen Brief geschickt, in dem sie mich bat, sich mit Mr Pym zu treffen. Der Brief lag auf einem Ehrenplatz auf dem Kaminsims im Half Moon Court, die elegante Handschrift und das beeindruckende Siegel glichen kleinen Dolchen der Eifersucht, die sich in Annes Herz bohrten. Das war ein Liebesbrief, daran gab es für sie keinen Zweifel. Jedes Mal, wenn sie den Brief ansah, fühlte sie den Drang, ihn ins Feuer zu werfen, doch das wagte sie nicht. Schließlich hatte sie es nicht länger ausgehalten und war zum Bedford Square gegangen.
Ich bedeckte mein Gesicht mit den Händen und stand auf, einen Moment lang nicht imstande, zuzuhören oder zu sprechen. Es war so kindisch, so undamenhaft, so unwürdig. Es war mehr als das, obwohl ich es nicht erkannte. Ich hatte einen Schritt in diese Welt getan, möglicherweise mehr als einen Schritt, und es war meine private Welt, in die sie nicht hineinpasste und in der es für sie keinen Platz gab. Ich liebte sie von ganzem Herzen, war indes zutiefst beschämt bei dem Gedanken, sie könnte am Bedford Square aufgetaucht sein. Wenn jemals der Zeitpunkt käme, dieses Problem zu lösen, was jetzt unwahrscheinlicher schien als je zuvor, dann war es mein Part, das zu tun, nicht ihrer. Sie wartete, als sei sie sich dessen bewusst, die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt, bis ich mich wieder setzte.
»Ein widerlicher Hammel von einem Lakaien befahl mir, zum Hintereingang zu gehen«, sagte sie.
»Ich kenne ihn«, erwiderte ich schwach.
»Dann kam sie heraus.«
Erneut schlug ich die Hände vors Gesicht, stellte mir vor, wie Lucy Hay die arme Anne zum Teufel jagte, sah sie gedemütigt vom Bedford Square nach Hause wandern, so wie ich es in der Vergangenheit so viele Male getan hatte. Aber es kam noch schlimmer, viel schlimmer.
»Sie hat mich mit hinaufgenommen in ihr Bo… Bou…«
»Boudoir.«
»Und gab mir etwas zu trinken, Scho… Scho…«
»Schokolade.«
»Sie ist alt .«
»Sie ist eine sehr schöne Frau«, sagte ich kalt.
»Sie war wunderschön geschminkt. Sie hat mir ein paar Farben geschenkt. Sieh mal.«
Sprachlos starrte ich Anne an, als sie ihre Wange aufgeregt mit einer fettigen roten
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