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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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tintenverschmierten Blatt nach dem anderen einen Sinn zu erkennen. Damals glaubten wir alle, das Ende der Zeit sei nahe. George war überzeugt, das Jüngste Gericht würde 1666 tagen, denn in der Offenbarung war 666 die Zahl des Tieres, das als Erstes überwunden werden musste. Ich persönlich glaubte, das Ende der Welt käme in jener Nacht. Ich hatte die Worte in den Händen gehalten, um die Welt zu retten, und ich hatte sie verloren.
    Meine Gedanken wurden so irr, dass ich sogar wünschte, man würde mich schlagen anstatt mich zu ignorieren, bis Mr Black auf eine Seite stieß, an der er gänzlich scheiterte.
    »Das Parlament ist …«, begann er. Seine Augen schienen vorzuspringen, als er sich bemühte, die Wörter zu entziffern. Er schleuderte das Papier von sich. »Verdammt sei die Rede! Verdammt sei der Junge!«, brüllte er.
    Ich hob das Blatt auf, klammerte mich an ein Wort, das ich im grauen Schmutz erkannte, wie ein Ertrinkender an einen Sparren. Das Wort, mitten in einer verschwommenen Masse, lautete »Seele«. Wie durch ein Wunder schienen sich andere Wörter vor meinen Augen aus der verwischten Tinte zu formen, als ich mich daran erinnerte, was Mr Ink feierlich rezitiert hatte.
    »Das Parlament ist die Seele des Gemeinwesens«, sagte ich.
    Überrascht starrten sie mich an und warteten darauf, dass ich fortfuhr, doch ich konnte nicht. Der Sparren glitt mir aus den Händen, und ich war kurz davor, zu ertrinken. Doch Mr Black schnappte sich das Blatt erneut und war imstande, die nächsten paar Wörter zu entziffern.
    »… das Gemeinwesen, welches allein in der Lage ist, die … die …«
    Wir steckten erneut fest. Verzweifelt nahm ich Mr Black das Blatt ab und starrte auf das verdreckte Wort. Vielleicht habe ich es entziffert, doch ich glaube eher, dass ich es irgendwie aus den Tiefen meines Gedächtnisses ausgrub.
    »Krankheiten!«, rief ich triumphierend. »Die Krankheiten zu erkennen …«
    Erneut ergriff Mr Black das Papier, als ich nicht weiter wusste. Die folgenden Worte waren unentzifferbar, sowohl für seine Augen als auch für meine Erinnerung, aber die Phrasen und Argumente des Politikers waren ebenso bekannt wie sein Gesicht, und Mr Black kannte Mr Pym in- und auswendig.
    »… die Krankheiten zu erkennen, die das Herz im Leib der Politik befallen haben«, rief er.
    Kein Gedicht hat mich je so berührt wie diese beschmutzte Zeile politischer Rhetorik, denn sie wurde mit solch religiöser Inbrunst vorgetragen. Ich erntete einen Blick, der dem nicht unähnlich war, den Susannah mir zugeworfen hatte, als sie dachte, ich läse aus der Bibel vor, während ich in Wahrheit nur das aus meiner Erinnerung hervorgekramt hatte, was sie gelesen und vorgesagt hatte.
    »Gott ist bei uns!«, verkündete Mr Black jubelnd.
    Gloomy George, der von dieser völlig unerwarteten Einmütigkeit zwischen uns ausgeschlossen war, sah mich finster an.
    »Mach dich an die Arbeit!«, schrie Mr Black ihn an. »Steh nicht so blöde rum, Mann, an den Setzerkasten!«
    Der finstere Blick wurde zu purer Böswilligkeit, als George seinen Winkelhaken ergriff. Bisher war ich lediglich jemand gewesen, den man zu züchtigen und, so hoffnungslos das Unterfangen auch sein mochte, davor zu bewahren hatte, sich zu versündigen. Doch jetzt war ich nicht mehr zu retten, sein Todfeind. Der Teufel war eine äußerst raffinierte Kreatur, der es irgendwie gelungen war, mir schmeichelnd und schleimend Mr Blacks Gunst zuteil werden zu lassen, und musste um jeden Preis mit den Wurzeln ausgerottet werden. So funktionierte Georges Verstand.
    Doch selbst George wurde von dem Verlangen getrieben, Mr Pyms Worte zu erhaschen und sie so bald wie möglich in der ganzen Stadt zu verteilen. In ganz London gab es keinen schnelleren Setzer. Wenn Mr Inks Finger über die Seiten geflogen waren, so waren Georges Finger derart flink, dass ihre schnellen Bewegungen vor dem Auge verschwammen, wenn sie vom Setzerkasten zur Schiene und wieder zurück zum Kasten huschten und mit einer ganz eigenen Magie die Worte rückwärts zusammensetzten, während Mr Black und ich Mr Pyms feine Redewendungen zutage förderten.
    Je weiter die Nacht voranschritt, desto geringer wurden unsere Bedenken über die wachsende Kluft zwischen dem, was er tatsächlich gesagt hatte, und dem, was wir erfanden. Zum ersten Mal bekam ich eine Ahnung von der Macht der Worte, mit denen wir es zu tun hatten. Sie waren ebenso explosiv wie Schießpulver. Alles, was noch fehlte, war

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