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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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nach den anderen Sachen, fand jedoch weder Kniehosen noch Hemd. In Turvilles Hosen würde ich zwei- oder dreimal passen.
    In der untersten Schublade wurde ich schließlich fündig. Die Hosen und der Leibrock waren in einem nüchternen Dunkelblau gehalten, jedoch aus einem weichen Samtstoff gefertigt, den sich nicht einmal Luke hätte leisten können. Und von solch einem Leinenhemd mit feiner Spitze an den Ärmeln hatte ich bislang nur geträumt. Ich probierte das Hemd an. Es passte perfekt. Ebenso wie der Leibrock und die Kniehosen. Neben dem Ankleidetisch stand ein neues Paar Stiefel. Als ich in das weiche Leder schlüpfte, lief mir ein wohliger Schauder über den Rücken. Nie zuvor hatten meine großen, plumpen Füße solch ein elegantes, bequemes Zuhause gehabt.
    Ich starrte in das dunkle, unebene Venezianische Glas und schreckte zurück. Der verdrießliche Puritaner war verschwunden. Mein feuerrotes Haar war wieder da. War ich so lange krank gewesen, oder war die Farbe herausgewaschen worden? Ich wusste es nicht. Mein Bart war gewachsen. Die Kleidung mochte für mich geschneidert worden sein, doch ich erinnerte mich an keinen Schneider. Unvermittelt ließ ich mich aufs Bett sinken. Ein weiterer, dieses Mal unangenehmer Schauder erfasste mich, als ich mich entsann, wie ich mich im Delirium hin und her geworfen hatte, in der Meinung, dass man bei mir für den Galgen Maß nähme. Man hatte tatsächlich bei mir Maß genommen. Dies war nicht die Kleidung eines Lehrjungen oder eines ehrbaren Handwerkers wie Mr Black. Es war die Kleidung eines Edelmanns.
    Selbst meine Hände hatten sich verändert. Die Tinte war von der Handfläche und den Fingerspitzen verschwunden. Vielleicht war sie fortgeschrubbt worden. Nur an der Nagelhaut und dem fleischigen Teil des Handtellers waren ein paar Reste übrig geblieben. Das waren nicht meine Hände, genauso wenig, wie das Spiegelbild Tom Neave zeigte. Ich empfand ein schmerzliches Gefühl des Verlusts, als ich meine Hände anstarrte. Da ich bislang nur von der Pechgrube in Poplar zum Tintenfass in Farringdon befördert worden war, hatte ich diese seltsam rosigen Hände nie zuvor gesehen.
    Als die Uhr in der Halle die halbe Stunde schlug, fuhr ich zusammen. Ich schlich die Treppe hinunter und hielt mich dabei am Rand, wo die Wahrscheinlichkeit, dass die Stufen knarren würden, geringer war. Im Studierzimmer hörte ich jemanden ruhelos auf und ab schreiten. Starker Tabakduft lag in der Luft. Noch ein Treppenabsatz, und ich wäre in der Halle. Eine Diele knarrte. Ich erstarrte. In der Stille klang es wie ein Pistolenschuss. Ich meinte, jemanden in der Halle gehört zu haben, und duckte mich hinter das Geländer. Schließlich schlich ich noch ein paar Stufen weiter und spähte in den Korridor. Ich konnte niemanden sehen.
    »Ich hätte zulassen soll, dass sie ihn erschießen!«
    Eatons Stimme ertönte so plötzlich, dass ich eine Stufe herunterfiel und mich an das Treppengeländer klammerte.
    »Und alles verlieren?«, erwiderte Turville scharf. »Geduld, Mr Eaton, Geduld. Wartet, bis der Tag vorüber ist …«
    Warten, bis der Tag vorüber war? Seine Stimme wurde zu einem besänftigenden Murmeln, und ich verstand nichts mehr, als ich weiter nach unten schlich. Es war nichts zu hören außer dem Ticken der Uhr in der Halle und dem entfernten Töpfeklappern in der Küche. Ich ging an der Uhr vorbei und wandte mich zum Gang. An der Wand, eine Pfeife in der Hand, stand der große Mann, langgliedrig wie ein Windhund, der mir an jenem Abend, als ich angeschossen worden war, durch die Menge gefolgt war. In seinem Gürtel hing eine Pistole. Er paffte an seiner Pfeife und lächelte mich an. Ich rannte zur Vordertür. Sie war abgeschlossen. Der Mann kam hinter mir her und packte mich. Ich trat um mich und kämpfte, aber geschwächt vom langen Liegen konnte ich nicht mehr ausrichten als seine Pfeife zu zerbrechen. Noch immer ein Lächeln im Gesicht hob er mich hoch, als sei ich nicht mehr als ein Baby, trug mich die Treppe hoch und setzte mich vor Turvilles Studierzimmer ab, ehe er an die Tür klopfte.

14. Kapitel
    Eaton brauste auf. Er hatte nichts von den Kleidern gewusst und glaubte, Turville und ich hätten meine Flucht gemeinsam geplant. Erst als ich ihm versicherte, dass ich Jane den Schlüssel gestohlen und die Kleidung allein aufgestöbert hätte, und Turville in seiner schmierigen Art sagte, die Kleider seien nur für den »Eventualfall« gedacht und ich sollte eigentlich nichts von

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