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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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ihnen erfahren, gab Eaton schließlich Ruhe und verfiel in finsteres Schweigen.
    An der Wand hinter Turvilles Schreibtisch hing eine Zeichnung, und nach dem Bild, das ich draußen gesehen hatte, erkannte ich, dass es sich um eine Karte der Ländereien von Highpoint handelte, auf der das Haus Wälder, Rieselwiesen, Dörfer und Kirchen beherrschte. Turville strich um mich herum, als sei ich ein reinrassiges Pferd, das auf dem Viehmarkt zum Verkauf stand. Alles andere als wütend über meine Hinterlist, wirkte er so erfreut, dass ich mich zunehmend unbehaglich fühlte. Was mir bei Mr Black eine Tracht Prügel eingebracht hätte, schien hier auf größte Zustimmung zu stoßen. Selbst Eaton konnte nicht aufhören, mich anzustarren. Am bemerkenswertesten von allem aber war, dass er – der Mann mit der Narbe, die Quelle all meiner Albträume – Angst hatte. Möglicherweise war das ein zu scharfes Wort. Aber er war auf jeden Fall aufgewühlt, knackte mit seinen rauen Knöcheln, blickte hinaus in einen riesigen Garten, ehe er den Blick erneut auf mich richtete.
    »Diese Kleider sind einfach unglaublich!« Turville rieb sich die plumpen Hände. »Sie zeigen es deutlich, Mr Eaton.«
    »Er sieht ihm ziemlich ähnlich!«, murmelte Eaton.
    »Ähnlich? Er sieht haargenau so aus!«
    Sie blickten auf ein Bild in der Mitte der Wand, von dem ich wusste, dass es ein Van Dyck war. Zuerst erkannte ich Lord Stonehouse nicht. Es lag nur zum Teil daran, dass er wesentlich jünger war. Vor allem lag es daran, dass er so glücklich aussah. Dieses Bild war entstanden, lange bevor sein Haar ergraut und die Falten auf seiner Stirn sich in die tiefen Runzeln verwandelt hatten, die ich bei der Parade gesehen hatte. Es war ein Familienbild mit Highpoint House im Hintergrund. Neben Lord Stonehouse stand eine sittsam wirkende Frau, deren Züge beinahe reizlos wirkten, im Glück jedoch fast schön zu nennen waren. Was leicht zu idealistisch hätte wirken können, wurde durch die Rastlosigkeit des ältesten Jungen authentisch, der versuchte, einem Cockerspaniel einen Stock aus dem Maul zu reißen.
    »Er hat die Stonehouse-Nase«, sagte Turville. »Eine Adlernase.«
    Adlernase? Plötzlich sollte mir meine Nase, die ich stets gehasst hatte, die düstere Arroganz eines Adlers verleihen? Oder eines Falken. Hatte sie für das Familiensymbol Pate gestanden? Ich sah es in den Gesichtern auf dem Gemälde, oder zumindest meinte ich, es zu erkennen.
    Turville legte mir eine Hand auf die Schulter. »Wenn er weiterhin im Dunkeln tappt, wie soll er dann die Gefahren erkennen?«
    »Wollt Ihr damit andeuten, ich sollte es ihm sagen?«, fragte Eaton.
    »Eine redigierte Version, Mr Eaton. Ich kann Euch nichts befehlen, sondern nur Ratschläge erteilen. Ihr seid für ihn verantwortlich.«
    Er war verantwortlich? Eaton trug kein Halstuch, und als er auf mich zutrat, um das Wort an mich zu richten, bebte die Narbe wie ein zweiter Mund. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Turville verlor die Geduld.
    »Du«, sagte er zu mir, mit einer Strenge, die er durch einen wackelnden Zeigefinger ins Spielerische zu verwandeln versuchte, »schuldest Mr Eaton einen sehr großen Gefallen.«
    »Wie ein Gefangener in Tyburn in der Schuld seines Henkers steht«, sagte ich verbittert.
    Eaton sprang auf. »Das lasse ich mir nicht länger bieten, Turville!«
    »Bitte, Eaton! Lasst den Jungen sprechen! Es ist weiß Gott schon schwer genug für uns – bedenkt nur, wie schwer es für ihn sein muss! Fangt am Anfang an. Warum bist du von Mr Black davongerannt, obwohl er nur versuchte, dich zu beschützen?«
    Mich zu beschützen! Ich fand die Antwort auf diese Frage offensichtlich, aber als ich sie gab, schüttelte Turville den Kopf, zog ein Taschentuch aus seinem Ärmel und wischte sich Stirn und Hände ab. Als ich auf den Brief von Lord Stonehouse zu sprechen kam, in dem es hieß, ich sei eine große Tollheit, derer man sich entledigen müsse, stöhnte Turville laut auf.
    »Seht Ihr, Eaton, seht Ihr!« Er wandte sich wieder an mich. »Lord Stonehouse versucht nicht, dich umzubringen! Dieser Brief stammt nicht von ihm! Er kam von Mr Eaton, der Mr Black warnte, dass dir von Richard Gefahr droht. Es ist Richard, nicht Lord Stonehouse, der dich als große Tollheit ansieht, derer man sich …«
    »Obacht, Turville!«
    Jetzt fürchtete Eaton sich definitiv. Er sprang mit solcher Hast auf, dass sein Stuhl nach hinten umkippte. Mein Blick wurde nicht länger von der Narbe angezogen, sondern

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