Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
konnte sie sich einen besseren Sterndeuter leisten, Mr Lilly. Er entdeckte einen Fehler in den Berechnungen des billigeren Kollegen. Merkur stand in Konjunktion, nicht Opposition zur Sonne, und somit war ich ein Bote, kein Teufel.
Ich konnte nun auch einen Arzt für Mr Black bezahlen, doch es schien ihm besser gegangen zu sein, als er überhaupt keinen Doktor gesehen hatte. Allmählich hatte er sein Sprachvermögen wiedererlangt, obgleich seine Worte noch zögernd und verwischt klangen, und er war in der Lage, eine Feier zur Erfüllung meines Lehrvertrages auszurichten. Sieben Jahre war ich hier gewesen! Sieben Jahre – und endlich konnte ich die Uniform fortwerfen, meine Stiefel und diese verfluchte Mütze!
An einem heißen, schwülen Augusttag trug Big Jed die Tische heraus und stellte sie unter den Apfelbaum. Aus Anlass der großartigen Gelegenheit sagte er, ich sei für eine Woche »vom Spieß beurlaubt«, doch in Wahrheit war das Exerzieren mit dem Spieß oder der geschulterten Muskete immer seltener geworden. Die Angst vor dem großen Krieg hatte abgenommen, als es nur vereinzelte Scharmützel weit entfernt von London gegeben hatte.
Will, Ben, Luke und Charity kamen. Letztere war guter Hoffnung, und zum Vergnügen, und vielleicht auch zur Übung, hatte sie ihre kleinere Schwester Prudence und ihren Bruder Tenacious mitgebracht. Andere Flugblattschreiber waren da, wie der ohrlose Jack, dem man für seine radikalen Ansichten ein Ohr abgeschnitten hatte. Ich hätte zu gerne Mr Ink hier gesehen, doch zu meiner Enttäuschung war er noch nicht erschienen, als Mr Black sich erhob, um seine Rede zu halten. Am kupferblauen Himmel war ein Donnergrollen zu hören, doch Mrs Black sagte, das Gewitter würde vorüberziehen. Sie hatte ein Tageshoroskop von Mr Lilly gekauft, und der hatte ihr versichert, es würde nicht regnen.
Mr Black verkündete, dass ich hinreichend in die Geheimnisse des Handwerks eingewiesen sei, wenngleich es einige Diskussionen über mein Benehmen gegeben habe. Die Gäste lachten laut und klopften auf die Tische.
»Tom …« Seine Stimme bebte. »Du bist jetzt frei. Wenn du w… willst, darfst du … jetzt eine Schänke besuchen.«
Die Runde brach erneut in Gelächter aus, und ein weiteres Donnergrollen war zu hören, das Mrs Black mit einer Handbewegung abtat.
»Du darfst sogar ein W…würfelspiel w… wagen.«
Noch mehr Jubel, und jemand sagte, er habe einen Regentropfen gespürt, doch Mrs Black erwiderte, das habe er sich nur eingebildet.
»Und … und …« Mr Black hielt inne und stützte sich auf seinen Stock. Seine Frau sprang ängstlich auf, doch er scheuchte sie unwirsch fort. Er war unfähig, die Worte herauszubringen, und ich glaubte, es läge an seiner Krankheit, doch dann, als er endlich sprach, begriff ich, dass es die Rührung war. »Es s… steht dir … jetzt f… frei zu heiraten.«
Annes Hand schlich sich in meine. Mrs Black lächelte. Der Regen prasselte auf uns nieder, als hätte jemand die Schleusen geöffnet. Lachend und halb durchnässt wurde im Haus auf uns angestoßen, bis der Regen aufhörte. Als die Sonne wieder zum Vorschein kam, sahen wir unter dem Apfelbaum eine einsame tropfnasse Gestalt.
»Mr Ink!«, schrie ich. »Lieber Freund – Ihr seid gerade rechtzeitig gekommen!«
»Ich wurde von den Neuigkeiten aufgehalten.« Er wirkte verstört, drehte seinen Hut zwischen den Fingern, von denen ein tintiger Regen tropfte.
»Neuigkeiten?«
»Der König hat in Nottingham seine Truppen um sich geschart.«
Wir hatten so lange darauf gewartet, aber als es dann eintrat, traf es uns wie ein Schock. Womit wir nicht gerechnet hatten, war Eaton. An jenem Abend ritt er auf seinem schwarzen Wallach auf den Hof. Für seine Verhältnisse war er beinahe höflich. Er verbeugte sich leicht in meine Richtung, fast spöttisch, und nannte mich Mr Tom. Genau wie vor sieben Jahren suchte er Mr Black in seinem Kontor auf, doch im Unterschied zu damals war ich dieses Mal dabei. Er sagte, die Tatsache, dass der König seine Truppen um sich scharte, habe Lord Stonehouse’ Aufmerksamkeit auf ein unerledigtes Geschäft gelenkt.
»I… ich mache keine Geschäfte mit Lord Stonehouse«, sagte Mr Black fest.
»Ihr habt einen Vertrag, Sir.«
Der Vertrag betraf mich. In der Tat, sagte Eaton, sei nicht Mr Black, sondern Lord Stonehouse mein Lehrmeister. Wir widersprachen ihm kühn und erklärten, dass ich jetzt ein freier Geselle war. Die Zunft hatte ihre Zustimmung
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