Peter Hoeg
ich neben dem Mechaniker dahintreibe, bin ich sonderbar, unbegreiflich glücklich.
Ich habe die Idee, daß wir zusammen frühstücken könnten. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, daß ich mit einem anderen Menschen gefrühstückt habe. Es war meine eigene Entscheidung. Morgens bin ich empfindlich. Ich will Zeit haben, mir kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen, meine Lidschatten nachzumalen und ein Glas Orangensaft zu trinken, bevor ich gesellig sein muß. Doch dieser Morgen ist von selbst so geworden. Wir sind uns begegnet, und jetzt gehen wir nebeneinander. Ich will es gerade vorschlagen.
Da schwebe ich.
Er hat mich hochgehoben und zum Klettergerüst hingezogen. Ich halte das für einen Spaß und will gerade etwas sagen. Da sehe ich, was er gespürt hat, und bin still. Im Treppenhaus ist es auf allen Stockwerken dunkel. Doch eine Tür öffnet sich langsam. Sie läßt gelbes Licht in die Dunkelheit hinaus. Und zwei Gestalten. Juliane und einen Mann. Er spricht mit ihr. Sie schlingert. Was er sagt, fällt wie Schläge. Sie sinkt auf die Knie. Dann schließt sich die Tür. Der Mann nimmt die Außentreppe.
Julianes Freunde gehen nicht um sieben Uhr morgens. Um die Zeit sind sie noch nicht mal nach Hause gekommen. Und wenn sie gehen, dann nicht mit der behenden Leichtfüißigkeit dieses Mannes. Dann robben sie nämlich zum Fahrstuhl. Wir stehen im Schatten des Klettergerüsts. Er kann uns nicht sehen. Er hat einen langen Burberry an und trägt einen Hut. |
An der Hauswand Richtung Christianshavn drückt der Mechaniker meinen Arm, ich gehe allein weiter. Der Hut steigt in einen Wagen. Als er von der Bordsteinkante rollt, hält der kleine Morris neben mir. Die Sitze sind kalt und so niedrig, daß ich mich strecken muß, um durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Sie ist vereist. Unsere Sicht reicht gerade über die Kühlerfigur zu den roten Rücklichtern vor uns.
Wir fahren über die Brücke. Vor der Holmens-Kirche nach rechts und an der Nationalbank vorbei über den Kongens Nytorv. Möglicherweise ist noch anderer Verkehr da, möglicherweise sind wir die einzigen. Durch die Scheiben ist das nicht zu entscheiden.
Der Hut parkt beim Denkmal Frederiks V. in der Mitte des Platzes. Wir fahren weiter und halten vor der französischen Botschaft. Er sieht sich nicht um.
Er geht am Hotel d'Angleterre vorbei und biegt in die Fußgängerzone ein. Wir sind fünfundzwanzig Meter hinter ihm. Jetzt sind auch noch andere Leute auf der Straße. Er geht zu einer Toreinfahrt und schließt auf. Wenn ich allein gewesen wäre, wäre ich jetzt stehengeblieben. Ich muß nicht zu dem Tor hingehen, um zu wissen, was auf dem Namensschild steht. Ich weiß, wer der Mann ist, dem wir gefolgt sind, und bin mir so sicher, als hätte er mir seine Bestallungsurkunde gezeigt. Wenn ich allein gewesen wäre, wäre ich jetzt nach Hause gegangen und hätte unterwegs nachgedacht.
Aber heute sind wir zu zweit. Zum erstenmal seit langer Zeit sind wir zwei.
Er steht neben mir, im nächsten Moment aber ist er an der Einfahrt und hat die Hand dazwischen, bevor sich die Tür schließt.
Ich ziehe mit. Wenn man spielt oder Ball spielt, gibt es manchmal diesen Augenblick, daß man sich ohne ein Wort sofort versteht.
Wir kommen in eine Toreinfahrt mit gewölbter Decke in Weiß und Goldbronze, mit Marmorpaneelen, weichem gelbem Licht und einer Tür mit Glasscheiben und Messingklinken. Der Torbogen führt zu einen Atriumhof mit immergrünen Büschen, kleinen japanischen Tempelbäumen und einer Fontäne. Das Ganze zugedeckt vom Schnee der letzten vierzehn Tage, der zwischendurch einmal geschmolzen ist und jetzt an der Oberfläche eine dünne, gefrorene Kruste hat. Von oben sinkt irgendwoher wie Staub das erste Tageslicht herunter.
Im Treppenaufgang liegt ein Elektrokabel. Es führt um eine Ecke, und von dort ist auch das Geräusch eines Staubsaugers zu hören. Vor uns steht ein Gestell auf Rädern. Mit zwei Eimern, Scheuerlappen, Schrubber und ein paar Walzen zum Auswringen des Scheuerlappens. Der Mechaniker reißt das Gestell an sich. Über uns sind Schritte. Weiche Schritte, die von dem blauen Läufer gedämpft werden, der über die ganze Treppenbreite von Messingstangen gehalten wird. Uns umgibt ein angenehmer Duft, ein Duft, den ich kenne, jedoch nicht identifizieren kann.
Als die Tür hinter dem Hut ins Schloß fällt, sind wir im zweiten Stock. Der Mechaniker bewegt sich mit dem Gestell unter dem Arm, als trage er überhaupt nichts.
Die
Weitere Kostenlose Bücher