Peter Hoeg
Spielchen. Sagen wir, ich bin der Reeder, bei dem du ein Schiff chartern möchtest. Achtundneunzig Prozent aller Abschlüsse in dieser Branche gehen unter vier Augen vor sich. Jetzt vertraust du also Onkel Birgo unter vier Augen an, wo dein Schiffchen in Wirklichkeit hin soll.«
»An die grönländische Westküste.«
»Das macht es schwerer für den, der chartern will, und leichter für den, der das Geschäft aufspüren möchte. Um nach Grönland fahren zu dürfen, muß ein Schiff Eisklasse haben. Die dänische Seeberufsgenossenschaft verlangt, daß alle Schiffe klassifiziert werden, und zwar im Hinblick auf den Schiffskörper alle vier Jahre und auf Sicherheitsausrüstüng und Maschinen einmal im Jahr. Wenn das Schiff nicht abgenommen wird, kommt es überhaupt nicht auf See. Für Grönland brauchen die Schiffe seit letztem Jahr einen Doppelboden und doppelte Wände.«
»Und die Besatzung?«
»Normalerweise chartert man ein Schiff mit Besatzung. Oder man wendet sich an eine der internationalen Firmen, die weiter nichts tun, als Vollbesatzungen zu liefern. In diesem besonderen Fall würde man aber wohl eine bareboatcharter vorziehen. Das heißt, daß man das Schiff und nichts weiter chartert. Dann beschafft man sich als erstes einen Kapitän. Das muß ein besonderer Mensch sein, den man ein bißchen zur Seite nehmen und dem man bei einem gefüllten Glas erzählen kann, daß seine Heuer in diesem Fall über das Übliche hinausgeht. Dafür braucht man all seinen Takt und all sein Feingefühl. Zusammen mit ihm findet man den Rest der Besatzung. Für ein Schiff von 4.000 Tonnen wären das elf bis zwölf Mann.«
Jetzt muß ich ihn um etwas bitten. Ersuchen sind immer schwer.
»Wenn ein Kunde einen Fühler nach einem solchen Schiff und einem solchen Kapitän ausgestreckt hätte, würdest du das dann herauskriegen können, Onkel Lander?«
Er sieht mich betrübt an.
»Die Überschrift ganz oben auf der ersten Seite von allem, was in dieser Branche passiert, lautet All negotiations whatsoever to be kept strictly private and confidential . Die Schiffsbranche gehört zu den diskretesten der Welt.«
Feierlich faltet er die Hände um sein Glas und zwinkert mir zu.
»Aber für dich, mein Schnuckiputzi, würde ich zum Äußersten gehen.«
Er sieht den Mechaniker und danach mich an.
»Wenn ich dich so nennen darf?«
»Du darfst«, sage ich, »mich so nennen, wie es dir gerade in deinen kleinen Schrumpfschädel kommt.«
Er blinzelt kurz. Widerstand ist für ihn so ungewohnt, daß er vergessen hat, wie sich das anfühlt. Einen Augenblick lang verbirgt er das Gesicht in den Händen, um seine Gedanken zu sammeln.
»Auf der Vorderseite sieht diese Branche nicht besonders gut aus. Auf der Rückseite aber hat sie viel Ethik, wie man das nennt. Und die beiden wichtigsten Regeln sind: Man bescheißt nie einen Kunden. Man bescheißt nie einen anderen Makler.«
Er schluckt ein bißchen. Hier haben wir seine ganze Lebensphilosophie.
»Staat und Behörden verarscht man, wann immer sich Gelegenheit dazu bietet. Mit einem fetten Grinsen bricht man die Devisengesetze von Justizminister Ole Espersen und fährt mit einer Mappe mit einer Million in bar nach Capetown, um einen Buschmann zu bestechen, der dort Hafenmeister ist und unter dem Vorwand von Quarantänebestimmungen einen Tanker von 500.000 Tonnen auf der Reede festhält. Man kauft jährlich in Panama fünf Gesellschaften zu tausend Dollar das Stück, damit man nicht unter dänischer Flagge und dänischer Gesetzgebung fahren muß. Man dirigiert eine Ladung, die vorm Zoll Allergieausschlag kriegt, in einen spanischen Hafen um, wo man den örtlichen Zöllner dazu gekauft hat, die Kisten umzufakturieren. Aber einen Kunden bescheißt man nicht. Denn die Kunden sollen ja wiederkommen. Vor allem aber bescheißt man keinen Makler. Wir Schiffahrtskaufleute halten zusammen. Schließlich funktioniert das ja so, daß ich einen Kunden habe, der ein Schiff hat, und du einen Kunden hast, der eine Fracht hat, und die bringen wir zusammen. Das nächstemal ist es umgekehrt. Ein Schiffsmakler lebt von anderen Maklern, der wieder von anderen Maklern lebt . . .«
Er ist bewegt.
»Das ist eine einzige große Bruderschaft, Schätzchen.«
Er trinkt und wartet, bis seine Stimme wieder beweglich ist.
»Das bedeutet, daß wir ein Netzwerk haben. Wir kennen die Makler von Guadeloupe bis Feuerland, von Rangun bis zu den Äußeren Hebriden. Und wir reden miteinander. Kleine Gespräche, und wenn man ein
Weitere Kostenlose Bücher