Peter Hoeg
dreiunddreißig. Wenn mich aus Versehen ein Sittenstrolch umbringen sollte, hätten meine Frau und meine drei Kinder fünfundzwanzig Millionen Kronen, wenn das Geschäft hier verkauft würde.«
Dann zwinkert er mir zu.
Er heißt Birgo Lander. Er ist der Freund des Mechanikers. Er ist Reeder und Direktor seines eigenen Schiffahrtskontors. Seine Jugend verteilt sich auf sämtliche Erziehungsanstalten in Dänemark, er ist elternlos, reich, absolut skrupellos, noch mehr Legastheniker als der Mechaniker, versoffen, dem Glücksspiel verfallen und sieht aus, als könnte er auf Kinderfahrschein fahren, wenn das nicht unnötig wäre, da er einen Jaguar hat, custom-made .
Einen Teil davon wissen ich und der Rest von Dänemark aus Zeitungen und Illustrierten. Das übrige hat mir der Mechaniker auf dem Weg hierher erzählt.
Er umschließt die Hand des Mechanikers mit beiden Händen, sagt nichts, sieht ihn aber an, als hätte er gerade einen vermißten großen Bruder wiedergefunden. Dann setzen wir uns. Der Mechaniker schiebt seinen Stuhl etwas zurück und hält sich aus dem nun folgenden Gespräch heraus. Hier bin ich dran.
»Wenn ich ein Schiff von etwa 4.000 Tonnen mieten möchte, das eine Fracht transportieren soll, über die ich mich im übrigen nicht näher auslassen will, und das an einen Ort, von dem ich auch nichts zu sagen gedenke, was muß ich dann tun? Und wenn ich nun bereits angefangen hätte, nach dem richtigen Schiff zu suchen, könnte man meinen Bemühungen von außen nachschnüffeln?«
Er steht auf. Er trägt hochhackige Cowboystiefel. Sie helfen seiner Größe nicht richtig auf die Sprünge. Aus einem Schrank an der Wand holt er eine Doppelflasche klaren Obstbranntwein. Der Mechaniker und ich lehnen ab. Er schenkt sich selber in ein hohes zylindrisches Wasserglas ein.
Sofort duftet es im ganzen Raum nach frischen Birnen. Er nippt am Inhalt. Siebenmal hintereinander. Dann sieht er mich an, um festzustellen, ob ich erschüttert bin.
»Ab zehn Uhr morgens bin ich blau«, sagt er. »Und ich kann es mir leisten.«
Seine Augen schwimmen, doch seine Stimme ist klar.
»Wenn du versuchen würdest, dir ein Schiff zu besorgen, könnte man dich ausfindig machen. Aber nur, wenn man mit einem Schiffsmakler befreundet wäre. Und das bist du jetzt, Schätzchen.«
Irgendwie mag ich ihn bereits. Ein Schmuddelkind, einer, der immer Mühe gehabt hat, sich zu benehmen, und eigentlich auch keine Lust gehabt hat, es zu lernen.
Aus einer Schublade kramt er einen Tausendkronenschein heraus und legt ihn auf den Tisch. »Alles hat eine Vorder- und eine Rückseite. Normalerweise sind sie gleich groß.«
Er dreht den Schein liebevoll um.
»In der Schiffsbranche aber ist es so pfiffig eingerichtet, daß die Rückseite sehr viel größer ist als die Vorderseite.«
Er macht eine Handbewegung.
»Die Vorderseite ist die Adresse, hier an dem teuren Platz. Das Zigarrenkistenholz und die Suiten, durch die ihr durchgekommen seid, um hier hereinzukommen.«
Er klopft sich auf seine dünnen Haare.
»Die Rückseite, die ist hier drin. Aber man ›mietet‹ kein Schiff, Schätzchen, man ›chartert‹ es. Von einem Reeder. Das läuft über einen Vertrag. So einer hat eine Vorderseite, die man nötigenfalls dem See- und Handelsgericht vorlegen können muß. Auf der Vorderseite steht, wo das Schiff hinfährt und was es geladen hat.«
Er kostet von dem Alkohol.
»Doch du bist ja mit den Auskünften über Ort und Fracht zurückhaltend. Du bittest also um einen Vertrag, in dem als Frachtort ›die ganze Welt‹ und unter Fracht ›unspezifiziert‹ steht. Der Wunsch wird jeden Reeder traurig machen. Schiffe sind wie Kinder. Man möchte gern wissen, wo sie spielen. Gerne schlechte Gesellschaft vermeiden. Doch kein Kummer ist so groß, daß man ihn mit Geld nicht lindern könnte. Du schlägst also vor, daß ein sogenannter sideletter , ein Nebenvertrag ausgestellt wird. Die dänische Schiffahrt ist voller Nebenverträge. So gut wie alle dänischen Reedereien haben während der letzten fünfzehn Jahre Kohle aus Südafrika geholt und Munition in den Nahen Osten verfrachtet. Obwohl das gesetzwidrig ist. Dazu braucht man meterweise Nebenverträge. Und die brauchen nicht zum See- und Handelsgericht. Sie sind genauso lichtempfindlich wie ein nicht entwickelter Film. Um so einen bittest du. Darin steht, daß du der Reederei eine Prämie dafür bezahlst, daß du auch weiterhin eine diskrete und geheimnisvolle junge Dame sein kannst. Machen wir ein
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