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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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noch schnell auf die Toilette gegangen bin und mich jedenfalls nicht sofort der Situation aussetzen muß, herauszufinden, was es kostet, hier aufs Klo gehen zu dürfen.
    Neben mir steht der Mechaniker und schaut sein Spiegelbild an, als gehöre es einer ihm unbekannten Person. Wir befinden uns im Foyer des Kasinos Öresund, Dänemarks zwölftem, neuestem und prestigeträchtigstem Kasino, von dem ich zwar gehört habe, jedoch nie erwartet hätte, daß ich jemals meinen Fuß über seine Schwelle setzen würde.
    Hier hat sich Birgo Lander mit uns verabredet. In weißen Schuhen, weißer Hose mit hellblauen Längsstreifen, dunkelblauem Blazer, grauem Rollkragenpullover, seidenem Halstuch mit kleinen gestickten Ankern und einer kleinen weißen Uniformmütze kommt er auf uns zu. Seine Augen sind glasig, er geht leicht schlingernd und strahlt wie eine Sonne. Mit beiden Händen zupft er vorsichtig meine weiße Fliege zurecht. »Du siehst heute abend ungeheuer appetitlich aus, Schätzchen.«
    »Du bist auch nicht so schlecht. Ist deine Uniform von den Marinepfadfindern?«
    Einen kurzen Moment lang erstarrt er. Seit unserer letzten Begegnung sind erst zwölf Stunden vergangen. Doch er hat das Gefühl bereits wieder vergessen. Dann lächelt er den Mechaniker an.
    »Sie hat in meinem Herzen einen Blankoscheck.«
    Sie drücken einander die Hand, und wieder bemerke ich, daß sich der Geschäftsmann fast unmerklich verwandelt. Für einen Moment, während er die Hand des anderen hält, weichen sein Rausch und seine stilisierte und sorgfältig gepflegte Vulgarität einer an Anbetung grenzenden Dankbarkeit. Dann führt er uns hinein.
    Ich lerne es nie, mich an teuren Orten zu bewegen. Jeden Schritt mache ich in dem Gefühl, daß jederzeit irgend jemand kommen und mir sagen kann, daß ich kein Recht habe, hierzusein. Dem Mechaniker geht es nicht viel besser. Er schleicht ein paar Meter hinter uns her und versucht, den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen. Birgo Lander promeniert, als gehöre ihm der Laden.
    »Weißt du, daß mir ein Stück von dem Kuchen gehört, Schätzchen? Liest du etwa keine Zeitungen? Zusammen mit der Unibank – die Marienlyst finanziert hat – und dem Casino Austria, das das Kasino im Hotel Scandinavia und das in Aarhus und Odense führt. Habe ich gemacht, um nicht selber spielen zu müssen. Die Eigentümer dürfen in ihren eigenen Kasinos nicht spielen. Dasselbe gilt für die Croupiers, die Dealer. Austria gibt ein Buch mit ihren Fotos heraus, keiner darf in einem der anderen Kasinos der Gesellschaft spielen.«
    Er fuhrt uns durch das Restaurant. Es ist ein großer, kreisförmiger Raum um eine Tanzfläche. Im Hintergrund eine gedämpft beleuchtete Bar. Auf einer Empore spielt verhalten und anonym ein Jazzquartett. Die Tischdecken sind hellgelb, die Wände cremefarben, die Bar ist aus rostfreiem Stahl. Alle Wände sind mit Nieten verziert, die Türrahmen meterdick und mit Bolzen versehen. Das Ganze ist die Imitation eines Geldschranks, solide, teuer, verstimmend kalt und fremd wie ein Abtanzball in einem Banksafe. Ein Stück Wand hat Fenster zum Sund hin. Man sieht die Lichter von Schweden und die Fortsetzung des Kasinos, die Spielräume, die sich wie erleuchtete Glaskäfige in das Wasser hinausschieben. Unter dem Glas ahnt man die grauen Eisschollen der gefrorenen Strandkante.
    Der Mechaniker fällt zurück. Lander nimmt meinen Arm. An uns vorbei gleiten dekolletierte Damen und Herren im Smoking, Herren in lila Hemden und weißem Dinnerjacket, Herren in Waschleder-T-Shirts, mit Rolex-Golduhren und gebleichter, elegant zerzauster Seglerfrisur.
    Der Raum ist ein Oval, dessen eine Hälfte zum Wasser hinaus aus einer Glaswand besteht. Sie ragt wie eine schwarze Mauer empor, das wenige Licht kommt von den gedämpften Lampen über den Spieltischen. Es sind vier halbrunde Black-Jack-Tische und zwei große Roulettetische. Ein Seil zwischen den Tischen deutet ein Trenngeländer an. Dahinter sitzen drei Obercroupiers, einer bei den Kartentischen, die beiden anderen jeweils auf einem hohen Stuhl am Ende des französischen und des amerikanischen Roulettetisches. Je zwei Tische haben einen Inspektor, jeder Tisch hat einen Croupier.
    Die Leute stehen so dicht, daß man die Spielbretter nicht sehen kann. Das einzige Geräusch sind die Stimmen der Croupiers und das weiche Klicken der Jetons beim Stapeln.
    Die Spieler sind ausschließlich Männer. An den Tischen hier und dort eine Asiatin. Ein paar europäische Frauen sehen

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