Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
Vom Netzwerk:
Die können jederzeit jede beliebige Summe in Jetons umwechseln. Die Polizei für Wirtschaftskriminalität wollte, daß wir die Geldscheinnummern aufschreiben. Wir haben der Forderung nicht nachgegeben. Deshalb ist dieser Laden hier eine der wichtigsten Waschanlagen für Drogengeld. Dann die kleinen gelben Damen, die die organisierte Prostitution mit thailändischen und burmesischen Mädchen leiten. Ein Großteil Geschäftsleute, ein paar Ärzte. Einige reisen um die Welt und spielen. Letzte Woche war ein norwegischer Schiffsreeder hier. Heute ist er vielleicht in Travemünde. Nächste Woche in Monte Carlo. Er hat einmal an einem Tag viereinhalb Millionen gewonnen. Die Zeitungen haben darüber geschrieben.«
    Er leert sein Glas und stellt es ab. Es wird durch ein gefülltes ersetzt.
    »So verschiedene Menschen. Eines haben sie allerdings gemeinsam. Sie verlieren, Smilla. Auf die Dauer verlieren sie alle. Der Laden hier hat zwei Gewinner. Uns Eigentümer und den Staat. Wir haben konstant acht Beamte vom Finanzamt hier. Sie wechseln – wie unsere Croupiers – in day- and evening-shifts , und zuletzt ein count-shift , wenn ab drei Uhr morgens die Kasse abgerechnet wird. Außerdem sind hier die zivilen Polizeibeamten und die zivilen Kontrolleure der Steuerverwaltung, die genau wie unsere eigenen Securityleute aufpassen, daß die Croupiers nicht schwindeln, die Karten nicht zinken, nicht mit einem der Gäste zusammen spielen. Unser Umsatz wird nach einer der härtesten Glücksspielbesteuerungen der Welt besteuert. Trotzdem haben wir allein in den Spielsälen des Kasinos zweihundertneunzig Angestellte: Manager, Dealer, Obercroupiers, Securityleute, technisches Personal und Inspektoren. Im Restaurant und im Nachtklub sind weitere zweihundertfünfzig Köche, Ober, Barpersonal, Wirtinnen, Rausschmeißer, Garderobenfrauen, Showmanager, Inspektoren und die festen Nutten, die wir auch kontrollieren. Weißt du, wie wir so viele bezahlen können? Das können wir, weil wir, unter uns gesagt, an den Spielern ein Schweinegeld verdienen. Für den Staat ist diese Kloake hier das größte Ding seit dem Öresundzoll. Der norwegische Schiffsreeder hat am nächsten Tag verloren, was er gewonnen hatte. Aber das haben wir nicht zu den Zeitungen durchsickern lassen. Eine thailändische Puffmutter hat letzte Woche dreimal 500.000 verloren. Sie kommt jede Nacht. Jedesmal, wenn sie mich sieht, fleht sie mich an, den Laden zuzumachen. Solange es ihn gibt, hat sie keine Ruhe. Sie muß hierher. Vor uns gab es natürlich die illegalen Lokale. Aber das war trotzdem nicht dasselbe. Meist Poker, aber das ist langsamer und erfordert kombinatorisches Wissen. Die Legalisierung hat das geändert. Es ist wie eine Ansteckung, die begrenzt war, jetzt aber freigesetzt ist. Zu uns kommt beispielsweise ein junger Mann, der eine Malerfirma hochgebracht hat. Er hatte noch nie gespielt, bis ihn jemand mitgenommen hat. Jetzt verliert er alles. Das hier zu bauen und einzurichten hat hundert Millionen gekostet. Aber es ist vergoldete Scheiße.«
    »Aber du hast da Geld reingesteckt«, sage ich.
    »Vielleicht bin ich ja selbst ein faules Ei.«
    Mich hat die wehmütige Schamlosigkeit, mit der die Dänen den ungeheuerlichen Abstand zwischen ihrer Einsicht und ihrem Tun und Lassen akzeptieren, immer fasziniert.
    »Ein Geschäft wie das hier produziert einen Fall wie Lukas. Ein sehr, sehr tüchtiger Seemann. Hat viele Jahre hindurch mit seinem eigenen kleinen Kümo Grönland befahren. War danach für den Aufbau einer Fischerflotte bei Mbengano im Indischen Ozean, vor der Küste von Tanzania, verantwortlich, im größten skandinavischen Entwicklungsprojekt aller Zeiten. Trinkt nie, kennt den Nordatlantik wie kein anderer. Einige Leute behaupten sogar, daß er ihn mag. Aber er spielt. Der kleine Vogel hat ihn inwendig völlig leer gemacht. Er hat keine Familie mehr, kein Zuhause. Und jetzt ist er soweit, daß er käuflich ist. Wenn die Summe nur hoch genug ist.«
    Wir stellen uns an den Tisch. Neben Kapitän Lukas sitzt ein Mann, der aussieht wie ein Schlachtermeister. Wir stehen vielleicht zehn Minuten da. In dieser Zeit verliert er 120.000.
    Ein neuer Croupier stellt sich hinter das Mädchen mit den roten Nägeln und klopft ihr leicht auf die schwarze Frackjacke. Ohne sich umzudrehen, macht sie das Spiel fertig. Sigmund Lukas gewinnt. Soweit ich sehe, um die 30.000. Der Schlachtermeister verliert die letzten Jetons, die er noch vor sich liegen hatte. Er steht auf, ohne

Weitere Kostenlose Bücher