Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
entgegen und lauschte einige Sekunden, ehe sie das Handy wieder sinken ließ, ohne selbst ein Wort gesagt zu haben.
Ihre Stimme war so matt wie ihre Bewegungen. »Jiri. Er hat Ondrej bewusstlos in der Halle gefunden. Offenbar konnte er Dimitri nicht aufhalten. Der ist bestimmt schon auf dem Weg zu uns.« Ivona schloss einige Sekunden lang die Augen. Als sie genügend Kraft gesammelt hatte, machte sie einen Schritt auf Micha zu und wollte ihn hochzerren. »Helfen Sie mir, ihn von hier fortzuschaffen.«
Noch bevor Hogart sich erheben konnte, hörte er eine fremde Stimme hinter sich.
»Hier verschwindet niemand!« Dimitri stand im Türrahmen. Er sah ziemlich ramponiert aus und besaß keine Ähnlichkeit mehr mit dem Dandy, der Hogart im Garten hinter Grecos Haus verprügelt hatte. Diesmal passte das zernarbte Gesicht zu seiner Aufmachung. Das zerrissene Hemd hing ihm aus der Hose, seine Nase blutete. Der Schwall hatte sein Hemd durchtränkt und auch die Hose besudelt. Sein rechter Arm hing schlaff herab. Vermutlich war er am Ellenbogen gebrochen. Seine Linke umfasste ein Eisenrohr. Trotz der Schmerzen, die in ihm wüten mussten, verzog er keine Miene, als er über die Schwelle in den Raum trat.
Bei Dimitris Anblick wurde Ivona blass. »Was hast du mit Ondrej gemacht?«, stieß sie hervor.
»Er wird es überstehen, aber seine Kunden in der Buchhandlung in Zukunft nur noch im Rollstuhl bedienen«, flüsterte Dimitri heiser. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, bis er auf Micha fiel. Er deutete mit dem Stahlrohr auf ihn. »Ist das die Missgeburt?«
Ohne eine Antwort zu geben, trat Ivona vor und stellte sich schützend vor Micha.
»Was soll das, Ivona? Er ist ein Fehlgriff der Natur. Widert er dich nicht an? Du solltest mir den kranken Scheißkerl doch ausliefern. So lautet dein Deal mit Greco.«
»Der Deal ist hinfällig. Jetzt ist es eine Sache zwischen uns beiden«, antwortete Ivona.
»Du stellst dich gegen mich?«
»Nur wenn du Micha anrührst.« Unwillkürlich ballte sie die Hand zur Faust.
Unbeeindruckt schritt Dimitri auf sie zu. Das Eisenrohr kratzte über die Fliesen. Auch mit gebrochenem Arm war er noch immer gefährlich. Doch Hogart ging etwas anderes durch den Kopf - er dachte an Ivonas kaltblütige Ermordung von Zajic. Es gab nur eine Möglichkeit, diesem Schlamassel heil zu entrinnen.
Dimitri kam immer näher, und plötzlich starrte der Schläger ihn an, als hätte er Hogarts Anwesenheit erst jetzt bemerkt.
»Und dir habe ich doch gesagt, du sollst die Finger von Ivona lassen!«
Das war der Moment! Hogart richtete seinen Blick auf Ivonas Waffe, die einige Meter entfernt auf dem Boden lag. Damit lenkte er Dimitris Blick in dieselbe Richtung. Die Mundwinkel des Schlägers zuckten, als er jene Waffe erkannte, die er in Grecos Auftrag für Ivona besorgt hatte. Hogart passte den Moment ab, in dem Dimitri das Stahlrohr fallen ließ und sich nach der Pistole bückte. Sofort tastete Hogart in der Bluüache nach seiner eigenen Glock. Die letzte Patrone steckte noch in der Kammer.
Plötzlich ertönten draußen Polizeisirenen. Kurz darauf flackerte Blaulicht durchs Fenster. Autotüren knallten dumpf. Befehle klangen durch die Nacht. Dimitri richtete die Glock auf Ivona. »Mir bleibt keine Zeit. Geh zur Seite!«
»Nein!«
Ohne zu zögern drückte Dimitri ab. Der Schlagbolzen klickte. »Nasrat!« Er versuchte vergeblich durchzuladen.
Noch bevor er die nutzlose Waffe wegwerfen und sich auf Ivona stürzen konnte, riss Hogart seine eigene Pistole aus der Hocke hoch und feuerte Dimitri in die Brust. Grecos Handlanger wurde zurückgeworfen, stolperte über seine eigenen Füße und fiel rücklings zu Boden. Das linke Bein zuckte noch, erschlaffte aber im nächsten Augenblick.
Ivona sah Hogart überrascht an. »Warum haben Sie ihn erschossen? Ich wäre mit ihm fertig geworden.«
»Das glaube ich Ihnen, aber darum geht es nicht.« Hogart ließ die Waffe fallen und erhob sich. »Es war notwendig, vertrauen Sie mir. Anders kommen wir aus dieser Situation nicht heraus.«
Vor der ehemaligen Fischhalle standen zwei Krankenwagen, ein Kleintransporter und zwei Polizeifahrzeuge mit stumm rotierenden Blaulichtern. Beide Straßenenden waren von gelben Bändern abgeriegelt. Mittierweile fielen die Schneeflocken noch dichter aus der Nacht herab und bildeten einen blütenweißen Teppich auf dem Asphalt. Die Dächer der Autos wirkten wie mit Puderzucker überstäubt.
Als Ivona mit Micha im Arm auf die Straße
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