Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
zurückkehren müssen, um bei Michas Verhandlung seine Zeugenaussage zu machen.
Was Ivona betraf - sie musste nicht mehr lange in Jiris Hausboot wohnen. Am Vortag hatte ihre Versicherung sie darüber benachrichtigt, dass der Brandschaden ihres Hauses voll ersetzt werden würde, wenn auch erst in drei Monaten. Doch diese Zusage genügte ihr, um sich sofort auf die Suche nach einer Eigentumswohnung zu machen.
Hogart betrachtete den Koffer auf dem Bett. Daneben lag etwas, das er noch nicht eingepackt hatte: Alexandra Schellings in Leder gebundener Timer. Er nahm ihn zur Hand. Wieder sah er Schellings Gesicht in Gedanken vor sich, die schulterlangen schwarzen Haare, den doppelten Windsorknoten ihrer roten Damenkrawatte, und wieder bildete er sich ein, den Geruch eines Martinis mit Olive wahrzunehmen. In den letzten beiden Tagen hatte er das Büchlein bestimmt drei Mal gelesen und sich jedes Mal gewundert, wie tough die junge Versicherungsangestellte gewesen war. Rasts Nichte hatte ein unglaubliches Feingefühl für Details besessen und den richtigen Riecher gehabt, um den Fall binnen weniger Tage zu lösen. Bestimmt war sie die beste Außendienstmitarbeiterin von Medeen & Lloyd gewesen. Doch leider hatte sie das Schicksal zur falschen Zeit an den falschen Ort geführt - in jene Bar, in der sie Micha begegnet war.
Hogart blätterte noch einmal durch den Timer. Schellings Handschrift war genauso schwungvoll wie das Temperament dieser Frau. Sie hatte über jeden ihrer Schritte ausführlich Buch geführt. Mit solchen Unterlagen war es ein Leichtes für ihn gewesen, den Versicherungsbetrug aufzuklären. Während ihres Besuchs in dem chemischen Labor hatte Sendling herausgefunden, dass es die falschen Bilder gewesen waren, die in der Nationalgalerie verbrannten. Prikopa, der Portier mit dem Seehundsbart, hatte das Feuer gelegt, mit einem Kollegen die Originalgemälde über die Feuertreppe in den Hinterhof aus der Galerie geschafft, sie mit einem Kleinbus in die Bernardigasse transportiert und in seinem Keller versteckt. Sobald einmal Gras über die Sache gewachsen wäre, wollte er die Werke an Greco verkaufen. Doch bis zum gestrigen Tag hatte Greco nichts von Prikopas eigenwilligem Plan gewusst. So wie Hogart den König von Prag mittlerweile einschätzte, hätte er Prikopa eher eigenhändig den Hals umgedreht, als sich in das dilettantische Unternehmen verwickeln zu lassen.
Hogart und Ivona hatten am Vortag ein Gespräch mit Greco in dessen Villa geführt. Als das Gespräch schließlich auf Dimitri kam, wurde Hogart ziemlich überrascht. Für den Unterweltboss schien bloß wichtig, dass der Mörder seines Dienstmädchens gefasst worden war. Dimitris Tod kommentierte er lediglich mit den Worten, dass Dimitri etwas auf eigene Faust unternehmen wollte, seine Chance gehabt hatte, daran jedoch gescheitert war. Liebe macht dumm, und anscheinend hatte er seinen Killerinstinkt verloren.
Da Dimitri ihnen in der Nacht zu Michas Versteck in der Fischhalle gefolgt war, musste Greco wohl annehmen, dass sie Dimitri - wie ursprünglich vereinbart - über ihre Recherchen informiert hatten. Da Ivona es bei diesem Missverständnis beließ, würde Greco nie erfahren, dass sie ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten hatten - und das war auch gut so.
Hogart knipste den ledernen Verschluss des Timers zu und warf ihn zu den anderen Sachen in den Koffer. Als er den Deckel zuklappte, trat Ivona in die Kabine.
»Ihr Flieger geht in zwei Stunden. Sind Sie bereit?«
»Ein kurzes Telefonat noch.« Das Gespräch war längst fällig, doch Hogart hatte bisher nicht die Zeit dazu gefunden. Er setzte sich aufs Bett und wählte Kohlschmieds Nummer. Der Außendienstleiter von Medeen & Lloyd hob nach dem ersten Klingelton ab. Nachdem Hogart ihn über die Ereignisse der letzten Tage informiert hatte, herrschte eine lange Pause. Offenbar musste Kohlschmied die Neuigkeiten erst einmal verdauen. Schließlich würde die Versicherung demnächst mehrere Millionen Euro zurückerhalten.
»Hier hat niemand damit gerechnet, dass Sie den Fall doch noch lösen«, murmelte Kohlschmied. »Morgen ist übrigens das Begräbnis von Kommerzialrat Rasts Nichte.«
»Ich werde dort sein«, antwortete Hogart.
»Wer wird uns die Gemälde beschaffen?« Mit einem Mal besaß Kohlschmieds Stimme nichts mehr von dem ungeduldigen aggressiven Ton, den er bei seinen früheren Gesprächen an den Tag gelegt hatte.
»Einige Freunde von mir werden sich darum kümmern: Jiri, Ivona
Weitere Kostenlose Bücher