Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
einen schlimmen Wolfsrachen, versuchte sich aber trotzdem jedes Mal zu bedanken, sobald er eine Münze erhielt.
Plötzlich wurde Ivona nachdenklich. »Mir ist aufgefallen, dass Sie sich ständig umsehen.«
»Die Burg ist beeindruckend«, log er.
»Blödsinn.« Sie leerte ihren Becher in einem Zug. »Sie haben es auch bemerkt, nicht wahr?«
Ohne ein Wort zu sagen, musterte er Ivona. Sie stammte aus der Branche - hatte er tatsächlich geglaubt, er könne einer Privatdetektivin etwas vormachen? »Seit wir uns auf dem Hradschin befinden, haben ich das Gefühl, wir werden beobachtet«, sagte er schließlich.
»Geht mir genauso.«
»Jemand von der Kripo?«, vermutete er.
»Unwahrscheinlich.«
»Greco?«
»Möglich.«
Oder es war derselbe, der bereits versucht hatte, ihn zu töten. »Hat Ihre Pistole den Brand überlebt?«, fragte er.
Ivona sah ihn erstaunt an. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ihm die Walther PPK in ihrem Vorraum aufgefallen war. »Ja, das hat sie. Aber die Beamten haben sie beschlagnahmt.«
»Sollte uns jemand überfallen, müssen Sie mich verteidigen.« Hogart deutete auf seinen lädierten Arm.
Sie schmunzelte. »Keine Sorge, hier passiert uns nichts. Zu viele Leute. Kommen Sie.«
Bevor Sie sich wieder auf den Weg machten, warf Hogart dem Bettler einen Geldschein in den Hut. Ivona betrachtete ihn missbilligend, sagte aber nichts. Einige Meter weiter blieben sie auf dem Treppenansatz der alten Schlossstiege stehen, die zur Metrostation hinunterführte.
»Das ist ein Ausblick«, murmelte Hogart.
Feiner Nieselregen lag in der Luft. Der Himmel über der Stadt war zwar immer noch verhangen, doch vereinzelt brachen Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Wo die Lichtfächer auf die Dächer trafen, brachten sie die Schindeln zum Glänzen. Sogar die sonst so graue Moldau funkelte wie ein silbernes Band. Trotz dieses Panoramas konnte Hogart im Moment nur an eines denken: dass ihm lediglich bis heute Abend Zeit blieb, um den Fall zu lösen. Danach würde ihn Kohlschmied nach Wien zurückbeordern. Sein Rückflug war ja bereits gebucht. Ein Telefonat mit Rast hätte wohl wenig Sinn.
Er wandte sich an Ivona. »Würden Sie Ihren Bruder bitten, bis heute Abend eine Person für uns zu überprüfen?«
Sie nickte, als habe sie die Frage erwartet. »Ich weiß, der Portier. Er hat etwas mit der Sache zu tun.«
KAPITEL 6
Als Hogart mit Ondrej und Ivona am Abend im Schwarzen Krebs bei einer Fischplatte und einer Flasche Wein saß, kündigte sich der Wetterumschwung an. Hogart aß nichts, im Gegenteil, er versuchte, den Anblick der Fische zu vermeiden, was bei dem Geruch unmöglich war. Ab und zu sah er aus dem Fenster. Eine Kaltfront zog von Westen über das Land. Hinter der schwarzen Wolkenbank zuckten immer wieder Blitze, die die Umgebung in ein merkwürdiges Zwielicht tauchten. Noch ließ der Regen auf sich warten. Einstweilen wiegte der Sturm nur die im alten Hafen vertäuten Boote auf den Wellen.
Während Ondrej mit der Gabel in seinen Meeresfrüchten stocherte, erzählte er, was er über Jan Prikopa herausgefunden hatte. Der Portier arbeitete schon seit über dreißig Jahren in der Nationalgalerie. Gemäß Hogarts Vermutung würde er in einem Jahr in den Ruhestand gehen. Prikopa wohnte allein in einer Dachbodenkammer in der Bernardigasse, zahlte jedoch Unterhalt an seine Exfrau. Seine erwachsene Tochter, die er seit seiner Scheidung vor fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, lebte in Drvalovice, etwa vier Autostunden von Prag entfernt. In Prikopas Polizeiakte fanden sich keine Vorstrafen. Einmal im Monat sah man ihn als Gast im Papousek, wo er stets die gleiche Frau besuchte, eine gewisse Cleopatra Manescu aus Rumänien. Sonst ging er auf die Trabrennbahn, wo er selten höhere Beträge als zweihundert Kronen setzte. Der meistversprechende Punkt erschien Hogart aber Prikopas Kartenleidenschaft. Einmal pro Woche spielte er im Hrdlicka mit einer Männergruppe Tarock. Anders als bei den Pferdewetten ging es dabei um große Summen, und wie Ondrej erfahren hatte, stand Prikopa bei einflussreichen Leuten mit dreißigtausend Kronen in der Kreide. Die Summe war kein Pappenstiel, doch reichte sie als Grund für Brandstiftung, Gemäldediebstahl und Mord? Andererseits hatte Hogart schon viel merkwürdigere Verbrechen erlebt. In manchen Wiener Wohnungen wurden ältere Menschen wegen weniger als hundert Euro erstochen. Aber in diesem Fall sagte ihm sein Instinkt etwas anderes. Irgendwie glaubte er
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