Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
gegessenen Teller. Darin befand sich der letzte Rest aus Ivonas Hausrat: Bilderrahmen, gusseiserne Kerzenständer, versengte Fotos und eine zerbrochene bauchige Vase - insgesamt ein trauriger Haufen Müll, der sich nicht mehr verwenden ließ.
Sofort entzündete sich eine heftige, auf Tschechisch geführte Debatte. Ondrej fuhr seinen Freund an, weshalb er diesen Schrott ins Lokal geschleppt hatte. Daraufhin zog Jiri einen kleinen schwarzen Gegenstand aus der Hosentasche. Als Ondrej sah, was Jiri zwischen den Fingern drehte, verstummte er. Das verbrannte Teil war nicht größer als ein Fingernagel.
»Das hat Jiri in der Vase gefunden«, übersetzte Ivona, doch Hogart wusste bereits Bescheid.
Obwohl das Ding in der Hitze zu einem Klumpen aus Metall und Kunststoff geschmolzen war, aus dem ein versengtes Kabel ragte, erkannte Hogart, worum es sich ursprünglich gehandelt hatte. Er nahm Jiri den Klumpen aus der Hand und drückte ihn zwischen den Fingern. Als die Rußschicht abbröckelte, kam eine silberne Oberfläche zum Vorschein.
»Eine Liziumbatterie«, murmelte Hogart. »Das sieht nach einem selbst gebastelten Richtmikrofon für eine drahtlose Funkübertragung aus.«
»Eine Wanze?«, fragte Ivona.
»Damit hat jemand Ihr Haus abgehört.«
Jiri, der von alldem nichts verstand, plapperte aufgeregt darauf los. Er stand immer noch vor dem Tisch, weshalb ihn Ondrej zu sich auf die Bank zog. Während Ivona und die beiden Männer auf Tschechisch weiterdiskutierten, folgte Hogart seinen eigenen Gedankengängen. Je länger er auf das zerschmolzene Mikrofon starrte, desto übler wurde ihm. Jemand musste einen triftigen Grund haben, Ivona abzuhören. Mit ihm selbst konnte es nichts zu tun haben, schließlich hatte er Ivona erst wenige Stunden vor dem Brandanschlag kennengelernt. Niemand hatte wissen können, dass er sie besuchen würde. Während das Gespräch am Tisch immer lauter wurde, kam ihm der Gedanke, dass der Anschlag vielleicht gar nicht ihm gegolten hatte, sondern Ivona - etwas, das ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen war. Möglicherweise hatte jemand der Privatdetektivin einen Denkzettel verpassen wollen, und er selbst war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Behielt er recht, ergaben sich fatale Konsequenzen. Dann hatte er sich die letzten beiden Tage in eine völlig falsche Theorie verrannt. Trotzdem hatte man auf ihn geschossen. Die Wunde in seiner Schulter war der beste Beweis dafür.
Automatisch durchsuchte Hogart seine Sakkotaschen, doch sie waren leer. Er brauchte jetzt dringend eine Zigarette, bevor er den Verstand verlor. Irgendetwas passte hier nicht zusammen. Wie in Trance stand er auf und ging zur Kleiderablage. Er kramte eine neue Packung Stuyvesant aus der Manteltasche. Als er gierig den Rauch inhalierte, wurden seine Gedanken klarer. Während er auf seinen angesengten Mantel starrte, versuchte er sich auf den Fall zu konzentrieren. Der Stoff stank, als hätte er wochenlang in einer Räucherkammer gehangen. Zum Glück befand sich kein Einschussloch darin.
Kein Einschussloch!
Das war der Schlüssel! Im Gedächtnis erlebte Hogart die letzten Augenblicke vor dem Schuss zum zweiten Mal. Ivona hatte sich den camelfarbenen Mantel über den Kopf gezogen und war durch die Flammen aus dem Haus gestürzt. Mit dem Ordner vor dem Gesicht war er ihr gefolgt; Sekunden später hatte ihn die Kugel getroffen. Der Killer musste sie miteinander verwechselt haben! Falls das stimmte, hatte der Brandanschlag mit ihm, Alexandra Schelling oder dem Versicherungsfall überhaupt nichts zu tun.
Benommen kehrte Hogart an den Tisch zurück, wo Ondrej, Jiri und Ivona noch immer miteinander diskutierten. Statt sich hinzusetzen, starrte er auf die Wanze, die von Rußkrümeln umgeben auf dem Tisch lag. Dann blickte er in den Karton, worin sich Ivonas zerstörtes Eigentum befand. Er konnte sich an diese Vase erinnern. Sie hatte in der Küche auf dem Schrank mit dem Feuerlöscher gestanden. Er zerrte die kaputte Keramikschale aus dem Karton. Dabei fielen einige angesengte Schwarz-Weiß-Fotografien zu Boden. Die Kripoaufnahmen von den Tatorten, die sich Ivona von ihrem Kontaktmann beschafft hatte. Hogart hob sie vom Boden auf und wollte sie schon wieder in den Karton zurücklegen, als ihm der Anblick eines Bildes den Atem verschlug. Eine Sekunde lang glaubte er, sein Herzschlag setze aus. Das Foto zeigte die kopflose Leiche einer Frau im Damenanzug, hingestreckt auf einem schwarzen Tuch. Die Aufnahme stammte vom
Weitere Kostenlose Bücher