Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
Vom Netzwerk:
aus dem Nebel schälten. Dahinter folgten die Burghöfe, in denen sich der Sitz des tschechischen Staatspräsidenten, mehrere Paläste, Basiliken und Kapellen mit Ausstellungsräumen befanden, die durch kleine Gassen miteinander verbunden waren. Inmitten des größten Burghofs ragte die Spitze des gewaltigen Veitsdoms in die Nebelbank. Die schmutzige Plane des Baugerüsts flatterte im Wind und gewährte nur eine eingeschränkte Sicht auf das große Mosaik im Turm. Vor den Toren der Seitentrakte tummelte sich - vermutlich wegen des feuchten Wetters - nur eine Handvoll Touristen. Außerdem hing überall das gleiche mehrsprachige Schild an den Türklinken: Wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Hogart konnte das nur recht sein. Auf der Suche nach dem richtigen Trakt der Nationalgalerie würden sie sich in diesem Irrgarten aus Hecken und Kieswegen sowieso noch die Füße wund laufen.
    Aus einem Drehständer erwarben sie einen Prospekt, dem sie entnahmen, dass im Palais Sternberg an die siebzig Gemälde von Goya, Rembrandt und Rubens ausgestellt wurden. Dort wollten sie hin. Nachdem sie einmal im Kreis gelaufen waren, fanden sie endlich den Hradcanske-Platz mit dem Palais, ein imposantes Gebäude mit hohen Fenstern und verschnörkelter Fassade. Ivona wechselte ein Wort mit der Dame im Kassenhaus, woraufhin sie eintreten durften, ohne Karten zu lösen.
    Wie in jedem alten Museumsgebäude roch es auch hier nach Kalk und Parkettboden. Die Fülle der jahrhundertealten, schweren und staubigen Bilder bescherte Hogart ein flaues Gefühl im Magen. Schon als Kind war er ungern in Museen gewesen, hatte die Schulausflüge dorthin meistens geschwänzt und stattdessen die Vormittagsvorstellung eines Filmtheaters besucht.
    Er ging durch die Eingangshalle zur großen Treppe, neben der Das Martyrium des heiligen Sebastian von Oktavian hing. Im Körper des nackten Jünglings mit dem Lendenschurz und den langen, schwarzen Locken steckten unzählige Pfeile. Dennoch lächelte er gnädig, als wisse er genau, dass sein Schicksal einem höheren Sinn diente. Eine Absperrung hinderte Hogart daran, das Gemälde zu berühren. Die nachgedunkelte, von zahlreichen Brüchen durchzogene Olschicht auf einer Fläche von zwei mal drei Metern war nur deshalb so wertvoll, weil Oktavian sie vor knapp vierhundert Jahren auf Holz gespachtelt hatte. Hogart war kein Kunstkenner, trotzdem übte dieses Bild genauso wie die Porträts von den zwölf Aposteln eine gewisse Faszination auf ihn aus. Irgendwie hatte es Oktavian stets geschafft, frische, lebendige und dreidimensionale Charaktere zu malen. Neben dem Bildnis wies eine Tafel der Museumsdirektion darauf hin, dass die Ausstellung anlässlich Oktavians 365. Todestags auf unbestimmte Zeit verschoben war.
    Hogart sah sich nach einem der Portiers um, die dafür sorgten, dass die Besucher den Gemälden nicht zu nahe kamen. Sein Blick fiel auf einen etwa sechzigjährigen Mann. Das Namensschild an der Brust wies ihn als Jan Prikopa aus. Offensichtlich hatte er sich den dichten Seehundbart wachsen lassen, um einen großen Leberfleck zu verdecken, der neben einem Nasenflügel durch das Barthaar schimmerte. Hogart schätzte, dass Prikopa nicht mehr lange auf den Ruhestand warten musste. Mit dem unrasierten Kinn, der Kappe und der abgetragenen blauen Uniform sah er jedoch aus, als wäre er längst in Rente. Bei diesem Job schuftete sich gewiss niemand zu Tode.
    Ivona erklärte dem Portier, woran sie interessiert waren, und nachdem Hogart ihm zweitausend Kronen in die Tasche gesteckt hatte, führte Prikopa sie in das zweite Stockwerk hinauf. Ein Schild sowie ein gelbes Plastikband versperrten den Zugang in einen abgelegenen leer stehenden Seitentrakt. Nach dem Metallgerüst und den Farbeimern auf der ausgebreiteten Folie zu schließen, würden die Renovierungsarbeiten demnächst beginnen.
    Prikopa stieg als Erster über das Band. Hogart und Ivona folgten. Nach einer Biegung wurde der Putz an den Wänden fast völlig schwarz. Die Zierleisten waren ebenso verkohlt wie die Holzstuckaturen an der Decke, und die Scherben der Glühlampen aus dem Kronleuchter bedeckten noch immer den Boden - ein Mosaik aus verbrannten Parkettstücken. Da über dem gesplitterten Fensterglas nur eine Folie klebte, herrschte kühle Zugluft im Gang. Der Portier erklärte ihnen, dass das Feuer vermutlich trotz Rauchverbots durch einen Zigarettenstummel ausgebrochen war, der einen Beistelltisch mit Prospekten in Brand gesetzt hatte.
    Zu diesem

Weitere Kostenlose Bücher