Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Sie, Trainer. Hundertprozentig, wir geben Gas!«
Nach dem Telefonat bespricht sich Neururer mit dem Bochumer Mannschaftsrat. Der Trainer weiß, dass Union den Saisonabschluss aufMallorca feiern wird. Und für den Fall eines Berliner Siegs, sagt er seinen Bochumer Spielern, könne man ja den ein oder anderen Euro aus der Mannschaftskasse für die Unioner locker machen, »für den Flug oder für was auch immer die das Geld gebrauchen können«. Den Rest an Motivationshilfe besorgt der Mainzer Trainer, der mit seiner Mannschaft 30 Spieltage über auf einem Aufstiegsplatz gestanden hat .
Vor dem Spiel »An der alten Försterei« wird Jürgen Klopp in der Boulevardzeitung »Berliner Kurier« zitiert: »Union ist eine Kloppertruppe.« Ob tatsächlich gesagt oder - wie Klopp nachher beschwört - in den Mund gelegt, die Beleidigung löst bei den Unionern sportliche Rachegefühle aus. Den einen Punkt, den »Kloppo« und seine Mannschaft noch brauchen, haben sie bis zur 82. Minute sicher, bis der Berliner Kostadin Vidolov einen Fernschuss in die Maschen des Mainzer Kastens zimmert. Danach rutscht der Bulgare auf den Knien Richtung Klopp und zeigt dem »Provokateur« die Faust. In der 90. macht Harun Isa das 3:1 für Union und damit alles klar. Klopp weint nach dem Spiel hemmungslos, während Peter Neururer im Anschluss an den 3:1-Auswärtssieg, den er auf Anweisung des Schiedsrichters in den letzten Minuten nur noch von der Tribüne aus mitverfolgen darf, an seiner alten Wirkungsstätte Tivoli feiert. 8000 mitgereiste VfL-Fans, die Mannschaft und der Trainer sind jetzt auch offiziell wieder erstklassig.
»Die emotionalste Station meiner Karriere«
Der VfL Bochum, das wird Peter Neururer schnell klar, ist nicht nur etwas Erstklassiges, Besonderes. Für den Trainer ist er etwas Einzigartiges. Das liegt nicht nur an der imposanten fußballerischen Art, in der der Aufstieg im ersten Jahr gelingt. Noch hat es allein damit zu tun, dass dieser Club ihm das längste Trainerengagement im Profifußball ermöglicht. Oder, dass Neururer den als »graue Maus« oder »Fahrstuhltruppe« abqualifizierten Ruhrpottclub für drei Spieltage zum Tabellenführer der Ersten Bundesliga macht und erstmals mit einer Mannschaft als Trainer in den UEFA-Pokal einzieht. Nein. Der VfL Bochum wird für Neururer vor allem immer deswegen einzigartig bleiben, weil er in diesem Club sich gewissermaßen selbst begegnet ist. »Es war die emotionalste Station meiner Karriere«, sagt Neururer.
Menschlichkeit, Verlässlichkeit und Solidarität prägen diese viereinhalb Jahre an der Castroper Straße. Es sind Eigenschaften, die Peter Neururer schätzt. Hier muss er sich nicht verbiegen oder gegen aggressive Journalisten, eitle oder ahnungsfreie Vorstände anarbeiten. Beim VfL Bochum ist alles so normal und auf dem Boden geblieben, wie Peter Neururer selbst auch ist. In diesem sehr angenehmen Arbeitsumfeld schließt er - untypisch für das »Schweinebusiness Fußball« (Neururer) - tiefe Freundschaften. Zu seinen engsten Freunden zählen seither »Doc« Karl-Heinz Bauer und Co-Trainer Frank »Funny« Heinemann.
Auch zu dem in der Öffentlichkeit als rauer Patriarch wahrgenommenen Präsidenten Werner Altegoer entwickelt sich mit der Zeit ein außergewöhnliches Verhältnis. Keine Freundschaft, aber eine Beziehung, von der Neururer sagt, dass er in dieser Form noch keine zu einem Präsidenten eines Fußballclubs gehabt hat. Gesiezt hat man sich gleichwohl durchgehend - vom ersten bis zum letzten Tag.
Dabei wäre es, wenn es nach Altegoer und auch Neururer gegangen wäre, nie zu einer Zusammenarbeit gekommen. Denn ehe er ihn zum Cheftrainer macht, mag Bochums Präsident Neururer nicht leiden. Altegoer hängt sich am öffentlichen Klischee auf, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. Denn auch Neururer hält Altegoer für jenen schwerfalligen, ruppig-muffigen Mann, als den er ihn im Fernsehen und bei gelegentlichen Treffen meint, kennengelernt zu haben. Beide irren, wie sie später zugeben werden. Ihr Verhältnis wird gekennzeichnet sein durch »totales Vertrauen, totalen Rückhalt, abär auch totale Kritikbereitschaft«, wie Neururer das beschreibt. »Werner Altegoer ist ein toller Mann.« Auch wenn es am ersten gemeinsamen Arbeitstag erst mal gehörig knallt zwischen dem Präsidenten und ihm.
»Passen Sie mal auf...«, beginnt Altegoer das Gespräch mit Neururer.
»Aufpassen?«, antwortet der ihm. »Die Anweisung aufzupassen, gibt mir mein Vater - und sonst
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