Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
niemand!«
In der Folge erkennt Neururer schnell, dass Altegoer den gesamten Verein vollkommen im Griff hat. Er sieht, dass der Präsident einen ungeheuren Überblick über den sportlichen Bereich besitzt, von der E-Jugend bis in die Profimannschaft. Altegoer kann ein Spiel lesen, er versteht eine Menge vom Fußball. Aber er weiß auch, was sonst im Verein so vor sich geht.
Das liegt vor allem daran, dass er sich regelmäßig mit den Mitarbeitern im Verein austauscht, ihnen zuhört. Altegoer, der den Verein oft mit Geld aus seinem Privatvermögen vor dem Ruin gerettet hat, darf man nicht außen vor lassen. Er will alles wissen. Weiß er etwas nicht, kann er extrem ungemütlich werden. Er ist wie ein Familienvater alter Prägung, ein Patriarch mit weichen Zügen.
Noch vor der Vertragsunterschrift hat Altegoer den neuen Trainer gefragt:
»Herr Neururer, was halten Sie denn von ihren zukünftigen Mitarbeitern, also Co-Trainern, Arzt, Physiotherapeuten?«
»Gar nichts«, antwortet Neururer, »denn ich kenne die in ihrer Funktion ja gar nicht.«
»Möchten Sie denn Ihre eigenen Leute mitbringen, Trainer?«
»Normalerweise mache ich das schon, ja«, sagt Neururer.
»Dann tun Sie mir einen Gefallen«, fahrt Altegoer fort. »Warten Sie mit Ihrem abschließenden Urteil bitte bis zur Winterpause. Lernen Sie die Leute erst mal kennen, und dann können Sie das selbst entscheiden.«
Die von Altegoer ins Spiel gebrachte Abtastphase braucht es nicht. Denn schnell bemerkt Peter Neururer, dass er die Nähe und Freundlichkeit, die er den Leuten beim VfL Bochum entgegenbringt, zurückerhält. Menschen, mit durchaus unterschiedlichen Charakteren, Leidenschaften und Ausprägungen, wachsen zu einer Einheit zusammen, »als hätte es so etwas wie einen imaginären Leitfaden gegeben, auf den wir uns alle verständigt hatten«, sagt Neururer. Bochum wird - neben allem Fußball - zu einer tief emotionalen Sache. Gefühlsbetont ist es für den Trainer auch in seinen Zeiten bei Schalke und in Köln gewesen. Aber in dem, im Vergleich zu Schalke und Köln, kleinen, überschaubaren Bochum erlebt Neururer eine andere, besondere Qualität, die selten in einem Umfeld zu finden ist, in dem es um so hohe Summen geht und das derart im öffentlichen Fokus steht: Menschlichkeit.
Neururer mag die Leute im Club, angefangen bei seinen engsten Mitarbeitern bis hin zu den Leuten auf der Geschäftsstelle. Dem Zeugwart Andi Pähl widmet Neururer gar mal einen 1:0-Sieg seiner Mannschaft gegen den großen FC Bayern München: »Weil der Junge einfach immer alles für die Mannschaft getan hat. Er hat für Spaß gesorgt, für den Zusammenhalt.« Die Widmung des Sieges setzt Neururer bewusst, häufig gewinnt Bochum gegen den deutschen Rekordmeister ja nicht. Als ihn ein Journalist nach dem Erfolg gegen die Bayern anspricht, ob denn Neururers taktische Ausrichtung entscheidend gewesen sei, antwortet der Trainer: »Taktische Ausrichtung? Dafür ist bei uns der Zeugwart zuständig.«
Doch bei allen Versuchen, den VfL in der Öffentlichkeit von seinem »Graue Maus«-Image zu befreien, am Ende wird in den Medien imm'är nur ein Bochumer ausgestellt: Peter Neururer - was der Trainer im Rückblick übrigens nicht positiv sieht: »Das war scheiße.« Gerade auch, wenn er sich heute an seine lächerlichen Tanzeinlagen vor der Fantribüne im schönen Ruhrstadion erinnert.
»Vielleicht«, mutmaßt Neururer, »wäre der VfL heute ein anderer Verein.« Wenn er geblieben wäre, wenn der Präsident Altegoer sich nicht völlig verbittert von dem Club abgewandt hätte. Vielleicht wäre der VfL heute größer, bedeutsamer, kein Zweitligist mehr, sondern ein ernst zu nehmender Herausforderer der Ruhrpottplatzhirsche aus Dortmund und Gelsenkirchen. Ja, vielleicht wäre er das.
Neururer hat selbst miterlebt, wie dynamisch sich die Dinge in Bochum entwickelt haben. Als er ankommt, ist der VIP-Raum am Stadion ein Zelt. Heute steht dort ein Stadioncenter, eines, wie Neururer sagt, »der schönsten und besten in ganz Deutschland«. Neururer hat damals Vorträge in Bochum gehalten - zu Themen, die er allenfalls als Autodidakt oder aus dem Fernsehen kannte: Marketing, zum Beispiel; konkret: die Vermarktung des Stadioncenters. Für Neururer war der VfL Bochum nicht nur ein Arbeitgeber, er wurde zu seinem Verein. »Mein VfL«, sagt er. »Mein Schalke« oder »Mein FC« würde Neururer bei seinen anderen zwei Lieblingsvereinen nie sagen. »Die Bindekraft dieses VfL Bochum«, sagt
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