Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Training an, er ist begeistert und lernt, dass - im Gegensatz zu Deutschland - der Trainer, der ja eigentlich auch nicht »Trainer«, sondern »Manager« heißt, hier nicht im Zentrum des Geschehens stehend die Übungseinheiten selbst leitet, sondern an seine »Coaches« delegiert. Clough steht außen und beobachtet das gesamte Training. Er ist eher eine Art Kontrolleur. Später wird Neururer herausfinden, dass das britische Modell ihm nicht so entgegenkommt. Als Bundesliga-Trainer braucht er den unmittelbaren Kontakt zu seinen Spielern, deswegen leitet er die Einheiten lieber selbst - wobei er immer auch darauf achtet, dass die anderen Mitglieder seines jeweiligen Trainerstabs ausreichend Gelegenheit erhalten, sich und ihre Fachkenntnisse im Training direkt der Mannschaft vorzustellen: Torwart- und Konditionstrainer lässt er in Absprache selbst machen. Der Assistent übernimmt im Training eine eigene Gruppe. Das alles ist sinnvoll, um den Respekt gegenüber den Mitarbeitern zu demonstrieren, deren Selbstwertgefühl zu stärken und ihnen nicht zuletzt auch ein gutes Standing bei den Spielern zu geben. Wenn der Cheftrainer ständig alles kontrolliert, kann in der Mannschaft schnell das Gefühl entstehen, er vertraut seinen Mitarbeitern im Trainerstab nicht ausreichend. Das bietet unnötige Angriffsflächen, die von den Spielern ausgenutzt werden können und dann nur Probleme bereiten.
Im Frühjahr 1986 erhält Neururer über seinen Bekannten, den Nationalspieler Matthias Herget, die Möglichkeit zu einer Art Hospitation bei Bayer Uerdingen. Die Mannschaft wird damals von Karlheinz Feldkamp trainiert. Im Europapokal der Pokalsieger geht es gegen den DDR-Club Dynamo Dresden. Nach einer 0:2-Niederlage im Hinspiel erscheint die Aussicht aufs Weiterkommen schon hoffnungslos, im Rückspiel zu
Hause liegt Uerdingen nach 45 Minuten 1:3 zurück. In der Halbzeitpause darf Hospitant Neururer in die Katakomben der Grotenburg, die Kabine darf er natürlich nicht betreten. Aber damit ist er nicht allein: Zu Neururers großer Überraschung steht auch Uerdingens Trainer Kalli Feldkamp draußen vor der Kabine seiner Mannschaft.
Fünf Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit verlässt Neururer das Stadion und geht zu seinem Auto. Er will nach Hause, denn das Spiel ist ja längst gelaufen. Aus dokumentarischem Interesse verfolgt er auf der Rückfahrt die Hörfunkreportage und bekommt mit, wie Uerdingen eine Riesenauf-holjagd startet- eine, die in die Geschichte des Europapokals eingehen wird. Neururer wendet, fährt zurück, parkt sein Auto, rennt ins Stadion und erlebt die letzten Minuten des 7:3-Siegs der Uerdinger, das berühmte »Wunder von der Grotenburg«, live mit.
In ihrer Euphorie über dieses außergewöhnliche Spiel verbreiten zahlreiche Medien ungeprüft, dass die Halbzeitansprache von Uerdingens Trainer Feldkamp gesessen habe. Dass seine taktischen Umstellungen famos gegriffen hätten. Neururer weiß: Das ist Unfug. Tatsächlich haben die Führungsspieler Matthias Herget und Werner Vollack in der Halbzeit eine ganz simple Parole ausgegeben: Jungs, wir sind mit Uerdingen nicht oft live im Fernsehen - da wollt ihr doch nicht gegen diese Ossis verlieren! Der Einfluss von Trainern auf das Spielgeschehen wird gelegentlich nicht nur überschätzt, er wird oft auch falsch bewertet und öffentlich entsprechend falsch dargestellt.
Dass eine Mannschaft tollen Fußball spielt, muss nicht zwangsweise eine tolle Arbeit des Trainers voraussetzen, wie Peter Neururer etwa am Beispiel von Branlco Zebec belegen kann, der neben Ernst Happel sein größtes Vorbild darstellt, allerdings nur, was das taktische Verhalten der vom Jugoslawen trainierten Mannschaft anbelangt.
Wie desaströs die Trainingslehre von Zebec ausfallen kann, beobachtet Neururer bei einem Abschlusstraining des Hamburger SV in Köln: Zebec steht auf einem Ascheplatz, es ist brütend heiß. Der Trainer nimmt eine Handvoll roter Kiesel auf, sagt seinen Spielern, wie Jimmy Hartwig, Horst Hrubesch und Felix Magath, sie sollen so lange Runde um Runde laufen, bis er keine Kiesel mehr in der Hand hat. Es dauert sehr lange, bis auch das letzte Steinchen gefallen ist. Neururer ist entsetzt. Physiologisch betrachtet, so hat man ihm das gelehrt, ist die hohe Belastung am Tag vor dem Spiel eine Katastrophe. 24 Stunden darauf jedoch schießt der HSV die Kölner aus dem eigenen Stadion, Zebec hat also alles richtig gemacht. Hat er? Sicher, er hat gewonnen, denkt Neururer, aber oft
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