Peter Nimble und seine magischen Augen
Tag vor seiner Vollendung, verschwand das ganze Land einfach. Wie vom Erdboden verschluckt.« Er zog an seiner Pfeife und stieß ein Rauchwölkchen aus.
Peter und Sir Tode warteten auf weitere Informationen, aber es kam nichts. »Das war’s?«, fragte der Ritter ein wenig enttäuscht. »Das ist die ganze Geschichte?«
»Es ist alles, was ich weiß«, antwortete Professor Cake. »Natürlich sind verschwundene Länder nicht so ungewöhnlich – meine eigene Insel zum Beispiel ist ja auch recht gut versteckt –, aber die eigentliche Frage ist doch, warum ist das Königreich verschwunden und wo ist es geblieben?«
Es verwirrte Peter zuzuhören, wie zwei Erwachsene über unmögliche Dinge diskutierten, als wären die etwas vollkommen Alltägliches. »Meinen Sie nicht, dass es dafür eine einfache Erklärung gibt?«, sagte er, denn er hatte einmal gehört, dass die einfachste Erklärung meistens die richtige war. »Vielleicht sind die Seefahrer vom Weg abgekommen? Oder jemand hat das Königreich falsch auf der Karte eingezeichnet?«
»Verwechsle einfach nicht mit einfältig«, sagte der Professor. »Ein Junge in deinem Alter sollte wissen, dass es nichts Unmögliches gibt.« Er stand auf, trat an das Regal und nahm ein langes zusammengerolltes Pergament heraus, das er auf dem Tisch ausbreitete. »Ich habe Mr Pound gebeten, diese Karte zu besorgen, während er in deiner Heimatstadt war«, sagte er und stellte einen Becher auf alle vier Ecken, damit sie sich nicht zusammenrollte. »Darauf ist jeder FleckenLand verzeichnet, den eure Kartenmacher je gesehen haben.«
Peter beugte sich über das Pergament und atmete den modrigen Geruch ein. »Ich kenne diese Karte«, sagte er mit einem Grinsen. »Die habe ich vor ein paar Wochen aus dem städtischen Museum gestohlen, und Mr Seamus hat sie an Onkel Krimskrams’ Pfandhaus verkauft.« Er strich mit den Fingerspitzen über die Karte und tastete die winzigen Erhebungen ab, die die Tinte auf der Oberfläche hinterlassen hatte. So konnte Peter die Meere und Flüsse verfolgen, die das Land teilten. Irgendwie machte es ihn traurig, dass man die ganze Welt auf ein paar kritzelige Linien reduzieren konnte. Bei einem kleinen Tintenpunkt ungefähr in der Mitte des Pergaments hielt er inne. »Das ist meine Hafenstadt, nicht wahr?«, fragte er leise.
»Ja, das ist sie«, antwortete der Professor. »Nur viel kleiner als in Wirklichkeit. Das ist bei Karten so.« Er nahm die Hand des Jungen in seine eigene und bewegte sie zum Rand des Pergaments. »Und was fühlst du hier?«
Peter fuhr mit den Fingern über die glatte Oberfläche. »Nichts«, sagte er. »Da ist nichts.«
»Nicht nichts. Nur Unentdecktes . Dort draußen liegen Wunder weit jenseits von allem, was eure Händler und Seefahrer sich je erträumt haben. Unmögliche Welten, die darauf warten, entdeckt zu werden.«
Bei diesen Worten überkam Peter plötzlich ein großes Verlangen, wie er es sonst nur verspürte, wenn er ein Schloss fand. Die Karte sagte ihm, wohin er nicht gehen konnte – und Peter wollte ihr beweisen, dass sie unrecht hatte. »Sie glauben also, dass die Nachricht von irgendwo da draußen kommt?«, fragte er. »Liegt da das Verschwundene Königreich?«
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden«, sagte Professor Cake.
Peter nahm den Zettel, der in der Flasche gewesen war, und drehte ihn hin und her. »Was ist mit dem Rest des Rätsels? Dieses ganze Zeug mit Königen und Prinzen und … Raben ?«
Der alte Mann ließ seine Pfeife sinken und stieß eine perfekte Rauchkugel aus. »Das musst du selbst erkunden. Ich weiß nur, dass der Verfasser dieser Nachricht jemanden braucht, der ihn findet und rettet. Und ich glaube, dieser Jemand bist du.«
»Ein echtes Abenteuer«, sagte Sir Tode sehnsüchtig. »Wie in alten Zeiten.«
Peter hätte die Begeisterung des Ritters zwar gerne geteilt, doch es gelang ihm nicht. »Warum braucht er ausgerechnet mich? Können Sie ihm nicht helfen? Oder Mr Pound?«
»Mr Pound hat andere Dinge zu erledigen. Und ich bin zu alt zum Reisen. Nein, Peter, das ist deine Aufgabe.«
»Aber ich bin nur ein Kind«, protestierte er. »Ich bin klein. Und blind und – «
Professor Cake fiel ihm ins Wort. »Nein, das bist du jetzt nicht mehr.« Er streckte die Hand aus und kraulte Sir Tode hinter seinen Pferdeohren. »Sir Tode kann für dich sehen. Natürlich nur sofern er bereit ist, dich auf deiner Reise zu begleiten.«
Der Ritter wäre fast von seinem Stuhl gefallen. »Ich?« Er konnte
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