Peter Nimble und seine magischen Augen
ganze Zeit aufpassen muss, dass Sie mir nicht den Kopf abhacken. Das hat doch alles keinen Sinn!« Und damit schleuderte er sein Baguette in die Ecke und schmollte. Mit den Gefühlen kann es schon mal hoch hergehen, wenn zwei Menschen längere Zeit auf so engem Raum eingesperrt sind. Und obwohl erunglaubliches Talent besaß, war Peter genauso ungeduldig wie jeder andere Junge. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass es etwas länger dauern würde, ein richtiger Held zu werden. Doch im Laufe ihrer langen Reise trugen Sir Todes Lektionen allmählich Früchte, und Peter lernte zu stoßen, zu parieren und sein Brot zu schwingen wie ein echter Ritter.
Mit der Zeit nahm der Glanz des Neuen ab, und Dinge, die anfangs aufregend waren, wurden nervtötend öde. Das Leben von Peter und Sir Tode schien nur noch aus rohem Fisch und schlechtem Wetter zu bestehen. Das Einzige, was noch schlimmer ist als ein gefährliches Abenteuer, ist ein langweiliges, und die Geduld der beiden wurde mehr als einmal auf eine harte Probe gestellt, während sie zwischen Sturzregen, Schneestürmen und Flauten hindurchlavierten.
Doch so lange sich die Reise auch hinzuziehen schien, sie kamen vorwärts. Die kleine grüne Flasche ließ ihr Lied niemals verstummen, und der Wind trug sie immer weiter, über den Rand der bekannten Welt hinweg in die großen unerforschten Meere der Möglichkeiten. Die Veränderung war kaum wahrnehmbar, und sie bemerkten sie erst in einer dunklen Nacht, als sie Besuch von einem Hundshai namens Frederick bekamen.
Die beiden Reisegefährten schliefen tief und fest unter dem Sternenhimmel, als plötzlich eine fischige Stimme aus dem Wasser heraufklang.
»He! Psst!«, flüsterte er und versetzte dem Boot einen Stupser.
Peter schrak hoch und griff nach seinem Baguette. »Wer ist da?!«
»Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe, Kumpel. Hastdu vielleicht einen Moment Zeit, einem Fisch in Not zu helfen?«
»Einem was?« Peter hätte schwören können, dass die Stimme Fisch gesagt hatte.
»Hier unten, im Wasser. Ich bin Frederick. Frederick der Hundshai.«
»Fische sprechen nicht«, sagte Peter, der noch zu verschlafen war, um zu begreifen, dass er sich nicht länger im erforschten Teil der Meere befand.
»Nun, ich schon, wie du hörst.« Der Hundshai lachte schnaubend. »Und fast alles andere auch, was hier rumschwimmt … außer dem Krill vielleicht. Dumm wie Dünengras, die Viecher.«
Das gab Peter zu denken. Er hatte seit dem Beginn seiner Reise schon so viele unmögliche Dinge gesehen und erlebt, dass er einen sprechenden Fisch nicht einfach als Spinnerei abtun konnte, so verrückt es ihm auch erschien. »Wo sind wir?«, fragte er.
»Am Ende der Welt, Kumpel. Im tiefsten Wasser, das es gibt.«
»Das Ende der Welt«, murmelte Peter und erinnerte sich an den tintenlosen Bereich auf der Karte des Professors. Er schnupperte die Nachtluft, und sie roch ganz leicht nach Moder wie die Seiten eines alten Buchs. Vielleicht hatte der Fisch ja Recht? Vielleicht war dieser Ort tatsächlich anders?
Frederick wurde allmählich ungeduldig. »Pass auf, ich brauche nur ganz kurz deine Hilfe, dann lasse ich dich sofort wieder in Ruhe, versprochen.« Peter hörte, wie der Hundshai sich im Wasser auf die Seite legte. Dann stieß etwas mit einem lauten Klonk gegen den Rumpf des Bootes. »Ich hab da einen Haken in der Backe, den ich nicht loswerde«, sagte er.
Peter streckte die Hand aus und ertastete ein langes gekrümmtes Metallstück. »Der ist ja riesig«, sagte er.
»Und das ist bloß die Spitze! Das war nämlich so: Ich schwimme so ganz gemütlich an einem schmuddeligen Hafen vorbei, und da seh ich plötzlich eine dicke alte Kuh im Wasser treiben. Natürlich will ich mir ’nen kleinen Imbiss gönnen, und bevor ich weiß, was los ist – zack! –, hab ich diesen Riesenhaken im Maul. Das verfluchte Mistding hat mir glatt die Backe durchstochen.«
Eine Kuh ? Peter fragte sich, wie groß dieser seltsame Fisch war. Dennoch drängte ihn sein Instinkt zum Mitgefühl. »Du möchtest also, dass ich dir helfe, den Haken herauszuziehen?«, fragte er und rückte vorsichtig ein Stück näher.
Doch bevor er etwas unternehmen konnte, ertönte plötzlich ein lauter Schrei. » Ahhh! «, brüllte Sir Tode und zerrte Peter vom Bootsrand weg. »Hinfort, du Ungeheuer! Hier gibt es keinen Mitternachtsimbiss für dich!«
Der Ritter war just einen Moment zuvor aufgewacht und hatte gesehen, wie Peter seine Hand in das Maul eines riesigen Hundshais
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