Peter Nimble und seine magischen Augen
Unruhestifter, damit sie ihre wüsten Missetaten so richtig bußen können.« Peter und Sir Tode dachten im Stillen, dass es eigentlich »büßen« heißen müsste, doch angesichts der gewaltigen Axt hielten sie es für klüger, den Fremden nicht zu verbessern. Der Mann beugte sich vor und musterte Peter. Sein Atem stank so fürchterlich, dass der Junge beinahe würgen musste. »Für einen von den Fehlenden siehst du ’n bisschen zu rosig aus, also schätze ich mal, du bist ein Dieb, stimmt’s?«
»Ich – ja.« Peter war zu perplex, um sich eine gute Lüge auszudenken.
»Dachte ich mir’s doch.« Er räusperte sich geräuschvoll und spuckte einen Schleimklecks in den Sand. »Und jetzt hat der König dich hierher verbannt, damit du in seinem Königreich keinen Unsinn mehr machen kannst, stimmt’s?«
»Königreich?«, sagte Sir Tode und blickte sich um. »Sie meinen nicht zufällig das Verschwundene Königreich, oder?«
»Ich meine das Königreich des Königs.« Der Mann schulterte seine Axt. »Ich heiße Officer Trolley, und ich bin königlicher Wächter von diesem Gefängnis. Ich habe die Aufgabe, Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen und die Küste zu bewachen, oder was man halt so nennt.« Er führte sie auf die nächste Düne und breitete stolz die Arme aus.
»Du meine Güte, Peter«, sagte Sir Tode, da er ja wusste, dass sein Freund nichts von dem Ausblick mitbekam, der sich ihnen bot. »Anscheinend sind wir nicht die Einzigen, deren Schiff er in den Sand gesetzt hat.« Alle paar Schritte lagen die zersplitterten Überreste irgendwelcher Boote. Die Wüste war übersät mit Wracks, so weit das Auge reichte.
»Natürlich nicht«, sagte Officer Trolley stolz. »Ich kümmere mich um jedes Boot oder Schiff, das hier aufkreuzt. Damit ihr nicht auf die Idee kommt, euch aus dem Staub zu machen.« Damit war die kleine Plauderei offenbar beendet, und Officer Trolley wandte sich wieder dem offiziellen Teil zu. »So, jetzt aber weiter im Text. Hände nach vorn, wenn ich bitten darf!«
Er nahm ein D-förmiges Brandeisen von seinem Gürtel und hielt das Ende in einen Miniaturkessel, der wie eine Damenhandtasche an einem Riemen über seiner Schulter hing. »Um ehrlich zu sein, es ist schon ’ne Weile her, seit ich zuletzt das Vergnügen hatte.« Er packte Sir Todes Huf und verkündete feierlich:
» ImNamenSeinerWahrenMajestätLordIncarnadineErklärtEuchSeinErgebensterDienerHiermitZuVerräternDerWahrenKroneUndVerbanntEuchFürDenGesamtenRestEuresWertlosenLebensUndOhneHoffnungAufBegnadigungInDieBußwüsteAmen .«
All dies wurde in einem einzigen unglaublichen Atemzug vorgetragen, der den Zuhörern keinen geringen Schrecken einjagte.
Officer Trolley zog sein Brandeisen aus dem Kessel. Peter konnte die Hitze spüren, die von der glühenden Spitze ausstrahlte. Er hörte, wie der Wächter das Eisen auf Sir Todes Vorderbein herabsenkte. »Ich – ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, Officer Trottel!«, sagte der Ritter und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. »Wir sind nämlich in offizieller Mission unterwegs! Mein Freund hier hat sechs magische – «
Peter bückte sich rasch und hielt Sir Tode die Schnauze zu, damit er nicht weiterreden konnte; schließlich hatte Professor Cake sie ermahnt, die magischen Augen um jeden Preis geheim zu halten. Doch es war zu spät. Officer Trolley ließ den Ritter los und schwang sein Brandeisen unter Peters Nase. »Sechs magische was?«, fragte er voller Neugier.
»Teppiche!«, erwiderte Peter, dem zum Glück diesmal rechtzeitig eine Lüge eingefallen war. »Wir sind erwischt worden, als wir sie auf der Straße verkaufen wollten.«
»Soso, Teppiche.« Der Officer rieb sich sein stoppeliges Kinn. »Kein Wunder, dass sie euch verbannt haben. Die alte Magie ist im gesamten Königreich verboten … Wie fast alles andere auch.« Er warf das Brandeisen in den Sand. Anscheinend keimte in seinem perückenbesetzten Hirn eine Idee. Er leckte sich die Lippen und fragte mit zuckersüßer Stimme: »Ihr habt nicht zufällig ein paar von diesen Teppichenhierher geschmuggelt? Schauen wir doch mal in deinen hübschen kleinen Sack.«
Peter riss seinen Diebessack weg, bevor Trolley danach greifen konnte. Erneut packte der massige Mann seine Axt. »Komm schon, her damit. Ich mache hier schließlich nur meine Arbeit.« In Wirklichkeit war es Officer Trolley – der ein selbstsüchtiger und schlecht bezahlter Angestellter des Königs war – vollkommen gleichgültig, ob die beiden
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