Peter Nimble und seine magischen Augen
Angelhaken aus dem Lande Gog und Magog, das kein Mensch je betreten hat oder betreten wird.
Wie sich zeigte, hatte Frederick der Hundshai Recht gehabt: Peter und Sir Tode stießen tatsächlich wenig später auf Land.
Aber was für ein Land!
Sir Tode war der Erste, der es bemerkte. Er war gerade aus sehr unruhigem Schlaf erwacht – das Ergebnis eines kräftigen Sturms während der Nacht. Inzwischen war der Tag angebrochen, und der Ritter streckte sich gerade ausgiebig, als ihm etwas Seltsames auffiel: Die Scop bewegte sich nicht. Sogar wenn er sich hin und her rollte, rührte sich das Boot kein bisschen. Er stand auf, schüttelte sich das Wasser aus dem Fell und kletterte auf den Mast, um einen besseren Ausblick auf die Umgebung zu haben. Was er sah, ließ ihn erschrocken nach Luft schnappen.
»Peter«, sagte er heiser. »Ich – ich glaube, du solltest jetzt aufwachen.«
Der Junge, der kaum ein Auge zugemacht hatte, hielt nicht viel von dem Vorschlag. »Wachen Sie doch selber auf«, murrte er und zog sich die Decke über die Ohren.
Sir Tode sprang herunter und stieß ihm mit dem Huf in die Rippen. »Peter!«, wiederholte er. »Es ist weg!«
»Was ist weg?«
»Das Meer – es ist spurlos verschwunden.«
Mittlerweile hatte auch Peter bemerkt, dass das Boot nicht wie gewohnt hin und her schaukelte. Auch das vertraute Geräusch der Wellen, die gegen den Bug schlugen, war verstummt. Er streckte die Hand über den Rand des Bootes, und was er da tastete, war kein Wasser, sondern trockener, heißer Sand. »Der Sturm heute Nacht muss uns ans Ufer geschwemmt haben.«
»Ich glaube, du hörst mir nicht zu«, sagte Sir Tode mit Nachdruck. »Wir können nicht ans Ufer geschwemmt worden sein, weil hier kein Ufer ist . Hier ist nur Sand – meilenweit nichts als Sand.« So unglaublich es klang, er hatte Recht. Die Scop war umgeben von Dünen, die sich endlos in alle Richtungen erstreckten. Der Ritter räusperte sich. »Fast so, als wäre – «
» Verlandet das Meer «, fiel Peter ein. Das war natürlich eine Zeile aus dem Rätsel und somit womöglich der Beweis, dass sie endlich ihr Ziel erreicht hatten.
»Das Verschwundene Königreich!«, rief Peter und kletterte über Bord.
»Das Verschwundene Königreich!«, rief Sir Tode und sprang hinter ihm her.
Die beiden liefen rund ums Boot, schlugen Purzelbäume und warfen übermütig Sand in die Luft wie heißes, körniges Konfetti. »Wir haben es geschafft!«, jubelten sie. »Das Verschwundene Königreich!«
Doch dieses Freudenfest wurde von einer fremden Stimme unterbrochen. »Genug jetzt!«, bellte sie. »Hoch mit euch!« Peter konnte nicht sehen, dass die Stimme zu einemgroßen dicken Mann in einer zerlumpten Militäruniform gehörte. Auf dem Kopf trug er eine graue mottenzerfressene Anwaltsperücke, und er kam direkt auf sie zu. »In eine Reihe mit euch! Und die Hände nach vorn!«
»Sir Tode, seien Sie meine Augen«, flüsterte Peter.
»Es ist ein Mann, ein großer Mann … und er hat eine noch größere Axt.« Der Ritter übertrieb nicht. Der Fremde trug eine gewaltige verrostete Streitaxt auf dem Rücken.
Der Mann humpelte näher und griff nach seiner Waffe. »Ihr habt doch gehört, wie ich gesagt habe ›hoch mit euch‹«, wiederholte er. »Noch mal wiederhole ich das nicht.«
In Anbetracht der Größe seiner Waffe und der geringen Entfernung hielten Peter und Sir Tode es für klüger zu gehorchen. Hastig sprangen sie auf und warteten auf weitere Befehle. »Gut«, sagte der Mann und zog die Nase hoch. »Holt eure Sachen aus dem Boot, aber zackig.« Peter angelte seinen Diebessack aus dem Bug und warf ihn sich über die Schulter.
»Und jetzt tretet beiseite.« Peter und Sir Tode taten, wie ihnen geheißen. Sobald sie aus dem Weg waren, holte der Mann mit seiner Axt aus und schlug die Scop mitten entzwei.
Sir Tode starrte entsetzt auf ihr nunmehr schiffbrüchiges Schiff. »Meiner Treu! Ich hoffe, dafür haben Sie eine verdammt gute Erklärung!«
Der Mann grinste sie an. »Wir wollen doch nicht, dass ihr zwei versucht zu fliehen, nicht wahr?«
»Fliehen?«, entgegnete Peter. »Das verstehe ich nicht.«
Der Fremde stieß ein grausames Schnauben aus. »Tja, mein Junge, ihr beide seid in der Bußwüste gelandet. Und da werdet ihr sehr, sehr lange bleiben.«
8. Kapitel
♦
GEFANGEN IN DER
BUSSWÜSTE
P eter schluckte schwer. »In der was?«, fragte er.
»In der Bußwüste«, erwiderte der Mann selbstgefällig. »Da landen alle elenden Diebe und
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