Peter Nimble und seine magischen Augen
»Das ist aber ein komischer Name für einen Ort in der Wüste«, sagte er und hoffte, dass die Unterbrechung nicht allzu unhöflich war.
»Das Land war nicht immer so karg. Früher gab es hier keinen Palast und keine Wüste. Es gab nur die Steine, das Meer und den Himmel. All das gehörte einem reichen Mann, der zwei Söhne hatte. Obwohl sie Brüder waren, hätten die beiden nicht unterschiedlicher sein können. Der Jüngere, Lord Hazelgood, besaß ein edles und großmütiges Herz – «
»Das war mein Papa!«, sagte Peg stolz.
»Der Ältere hingegen, Lord Incarnadine, war grausam und habgierig. Er nutzte jede Gelegenheit, die Landbewohner zu quälen. Der reiche Mann machte sich große Sorgen wegen der Bosheit, die er im Herzen seines ältesten Sohnes sah, und er fürchtete um das Wohlergehen des Volkes, falls dieser je an die Macht gelangte. Und so vermachte er bei seinem Tod die ganze Insel seinem jüngeren Sohn.«
»Das war eine kluge Entscheidung«, sagte Sir Tode.
»Ja, aber es war für beide Brüder ein Schock. Lord Hazelgood war nicht viel älter als Ihre königliche Hoheit, als er an die Macht kam, aber er war klug genug zu wissen, dass sein Vater einen guten Grund gehabt haben musste, ihn zu wählen, und er schwor, sich seines Vertrauens würdig zu erweisen. Zu jener Zeit waren die Bewohner des Landes arme Schlucker, die gezwungen waren, von Regenwasser und gestohlenenEssensresten zu leben. Doch der junge Hazelgood hatte eine bessere Zukunft im Sinn. Er würde einen großen Palast bauen, der wie ein Edelstein auf dem Meer funkeln würde.
Als die Leute von seinem Plan hörten, schnaubten sie nur verächtlich. Wie wollte er, der noch ein halbes Kind war, jemals eine solche Tat vollbringen? Jeder Mauerstein musste einzeln aus den Tiefen des Felsens herausgeschlagen werden. Die Aufgabe erschien ihnen unerfüllbar.
Doch Lord Hazelgood ließ sich nicht beirren. Wenn die Menschen des Reiches ihm nicht helfen wollten, würde er sich anderswo Unterstützung holen. Er sah sich unter den Tieren auf der Insel um und wählte die armseligste Art, die er finden konnte: die Raben. Zu jener Zeit waren wir egoistisch und streitsüchtig. Wir waren zwar kraftvolle Kämpfer, aber anstatt unsere Feinde zu bekämpfen, bekämpften wir uns gegenseitig. Da es hieß, unser zähes Fleisch sei gut geeignet zum Pökeln, wurden wir zu Hunderten getötet.
Als Lord Hazelgood zu uns kam, war nur noch eine kleine Schar übrig, und ich war einer davon. Wir misstrauten den Menschen, und so glaubten wir Lord Hazelgoods Worten nicht. Doch eines Nachts, als ein Trupp Jäger unser Nest überfiel, kam er uns zu Hilfe und verteidigte uns. Er wurde schwer verletzt, aber es gelang ihm, jedes einzelne Ei zu retten. Von dem Tag an schworen wir, Lord Hazelgood und seine Linie mit unserem Leben zu beschützen.«
Prinzessin Peg streckte die Hand aus und strich über Simons dunkles Gefieder. »Und das haben sie auch getan.«
»Lord Hazelgood brachte uns bei, gemeinsam zu kämpfen. Unter der Führung einer einzelnen Stimme konnten wir Nester auf dem Boden verteidigen und Steinen ausweichen, die auf uns geworfen wurden. Und dann machtenwir uns daran, gemeinsam ein Königreich zu erschaffen. Als Erstes gruben wir einen großen Brunnen. Die Insel war zwar vom Meer umgeben, besaß aber kein eigenes Trinkwasser. Es gab nirgends Flüsse oder Bäche, und alle waren von der Gnade vorüberziehender Regenwolken abhängig. Weise, wie er war, erkannte Lord Hazelgood, dass die Menschen sich ihm anschließen würden, wenn er sie mit Trinkwasser versorgte. Mithilfe unserer Krallen und Schnäbel gruben wir sieben lange Jahre gemeinsam mit Hazelgood, bis wir endlich tief unten in der Erde eine große Quelle fanden. Wir höhlten einen Felsen aus und stellten ihn direkt über die Quelle.«
»Der Kesselfelsen«, sagte Peter. »Wir haben ihn auf unserem Weg durch die Bußwüste gesehen.«
»Er steht noch?« Simons Blick wurde wehmütig. »Was gäbe ich darum, diesen heiligen Ort noch einmal zu sehen. Der Kesselfelsen hat das Volk dieses Landes aufgeweckt. Als sie sein klares Wasser sprudeln sahen, glaubten sie endlich, das Hazelgoods Traum Wirklichkeit werden konnte. Während der nächsten zehn Jahre arbeiteten Männer, Frauen und Raben gemeinsam mit ihm, um die Wildnis in einen prächtigen Palast zu verwandeln. Wir verlegten ein unterirdisches Bewässerungssystem und ließen Bäche durch die Straßen laufen. Wir bauten für jeden Einwohner ein Zuhause und legten
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