Peter Pan
Bewegungen gelangte sie zwischen seine Lippen und die Medizin und trank die Tasse leer.
»He, Tink, was unterstehst du dich, meine Medizin zu trinken?«
Aber sie antwortete nicht. Sie torkelte schon durch die Luft.
»Was ist los mit dir?« rief Peter und kriegte plötzlich Angst.
»Sie war vergiftet, Peter«, sagte sie matt, »und nun werde ich sterben.«
»O Tink, hast du sie getrunken, um mich zu retten?«
»Ja.«
»Aber wieso, Tink?«
Ihre Flügel konnten sie kaum noch tragen, aber sie ließ sich auf seine Schulter nieder und biß ihm liebevoll ins Kinn. »Du Blödmann«, flüsterte sie ihm ins Ohr, und dann schwankte sie zu ihrer Kammer und legte sich ins Bett.
Sein Kopf füllte fast die offene Seite ihres kleinen Zimmers aus, als er verzweifelt vor ihr kniete. Ihr Licht wurde immer schwächer, und er wußte: Wenn es ausgeht, ist es mit ihr vorbei. Sie mochte seine Tränen gern, und sie streckte ihren schönen Finger aus und ließ sie darüber rollen. Ihre Stimme war so leise, daß er zuerst nicht verstehen konnte, was sie sagte. Dann verstand er. Sie sagte, daß sie dächte, sie könnte wieder gesund werden, wenn Kinder an Feen glauben.
Peter breitete die Arme aus. Es waren keine Kinder da, und es war mitten in der Nacht, aber er wandte sich an alle, die vielleicht vom Niemalsland träumten und die ihm deshalb näher waren, als man denkt: Jungen und Mädchen in ihren Nachthemden und nackte Indianer-kinder in ihren Körben, die an Bäumen hängen.
»Glaubt ihr an Feen?« rief er.
Tink richtete sich schnell im Bett auf, um ihrem Schicksal zu lauschen.
Sie meinte, Zustimmung zu hören, und dann war sie wieder nicht sicher.
»Was denkst du?« fragte sie Peter.
»Wenn ihr an Feen glaubt«, rief er, »dann klatscht in die Hände. Laßt Tink nicht sterben!«
Viele klatschten.
Manche nicht.
Ein paar kleine Biester zischten.
Das Klatschen hörte plötzlich auf, als wären zahllose Mütter in ihre Kinderzimmer gerannt, um nachzusehen, was in aller Welt da los war. Aber Tink war schon gerettet. Zuerst wurde ihre Stimme wieder kräftig, dann sprang sie aus dem Bett, dann sauste sie fröhlicher und unverschämter durchs Zimmer als je zuvor. Sie dachte nicht daran, sich bei denen zu bedanken, die an Feen glauben, aber denen, die gezischt hatten, hätte sie gern eins ausgewischt.
»Und jetzt wird Wendy gerettet.«
Der Mond zog über den Wolkenhimmel, als Peter aus seinem Baum kletterte. Er trug seine Waffen und sonst nicht viel, und so machte er sich auf den Weg in sein gefährliches Abenteuer. Er hatte gehofft, er würde fliegen können, dicht über dem Boden, so daß ihm nichts Verdächtiges entging. Aber bei diesem unbere-chenbaren Licht so tief zu fliegen, war zu gefährlich, sein Schatten wäre zwischen den Bäumen zu sehen gewesen und hätte die Vögel aufgescheucht und jedem wachsamen Feind verraten, daß er unterwegs war.
Er bedauerte jetzt, daß er den Vögeln auf der Insel so ulkige Namen verpaßt hatte. Sie waren böse und nicht gut auf ihn zu sprechen.
Es gab keine andere Möglichkeit, als sich nach Art der Rothäute fortzubewegen; zum Glück kannte er sich da aus. Aber in welche Richtung? Er wußte ja nicht, wie die Kinder auf das Schiff gelangt waren. Ein leichter Schneefall hatte alle Spuren bedeckt, und tödliches Schweigen breitete sich über die Insel, als stünde die Natur für eine Weile still – aus Schrecken über das Gemetzel.
Peter hatte den Kindern einiges über das Verhalten im Wald beigebracht, das er selber von Tiger Lily und Tinker Bell gelernt hatte, und er wußte, daß sie es in ihrer Bedrängnis nicht vergessen würden. Slightly zum Beispiel markierte, wenn er dazu eine Möglichkeit fand, die Bäume; Curly streute Samenkörner aus, und Wendy legte ihr Taschentuch an irgendeinen wichtigen Platz.
Aber es hätte richtig hell sein müssen, um solche Zeichen zu finden, und er konnte nicht bis zum Morgen warten.
Das Krokodil begegnete ihm. Sonst nichts und niemand. Kein Laut. Keine Bewegung. Und doch wußte er genau, daß ihm schon beim nächsten Baum der Tod auflauern konnte.
Er tat einen schrecklichen Schwur: »Diesmal Hook oder ich.«
Jetzt kroch er voran wie eine Schlange, dann rannte er wieder aufrecht über eine Lichtung, die der Mond beschien: einen Finger an den Lippen und den Dolch gezückt. Er war furchtbar glücklich.
Das Piratenschiff
EIN grünes Licht flackerte trübe über Kidd’s Creek – das ist in der Nähe von der Mündung des Piratenflusses –
Weitere Kostenlose Bücher