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Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James M. Barrie
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und zeigte an, wo die Brigg, die »Jolly Roger«, flach im Wasser lag. Ein wüster Kahn, durch und durch verrottet, jeder Balken angefault, ein grauenvoller Haufen Dreck.
    Die »Jolly Roger« war der Abschaum der Meere, und eigentlich war es nicht nötig, sie zu bewachen: Sie war durch ihren schlechten Ruf geschützt und durch den Schrecken, der von ihrem Namen ausging.
    In dieser Nacht hörte man an Bord nur wenige Geräusche, und die waren nicht sehr angenehm – außer dem Surren der Schiffsnähmaschine; Smee saß davor, immer fleißig und zufrieden, der nette, sympathische Smee. Ich weiß nicht, warum er so furchtbar sympathisch war, es sei denn, weil er auf so sympathische Weise gar nicht wußte, daß er es war. Selbst harte Männer mußten den Blick von ihm wenden (sonst wären sie weich geworden), und mehr als einmal hatte er an einem Sommerabend Hook zu Tränen gerührt. Aber davon hatte er, wie von fast allem, nicht die geringste Ahnung.
    Ein paar Piraten lehnten an der Reling und tranken.

    Andere lagen bei den Fässern, würfelten und spielten Karten, und die vier, die das kleine Haus getragen hatten, lagen erschöpft der Länge nach auf Deck und wälzten sich noch im Schlaf von einer Seite auf die andere, um Hook auszuweichen – es könnte ja sein, daß er sie im Vorübergehen mit seiner Klaue erwischte.
    Hook schritt gedankenverloren auf und ab. Un-ergründlich dieser Mann! Es war die Stunde seines Triumphes. Peter Pan war für immer beseitigt, und die anderen Jungen waren auf der Brigg und würden gleich von der Planke springen. Es war seine grausamste Tat, seit er John Silver erledigt hatte. Und weil wir wissen, was für ein eitles Geschöpf der Mensch ist – dürften wir uns da wundern, wenn er jetzt auf Deck herumstolzierte, aufgeblasen vom Hochgefühl des Erfolgs?
    Aber es war keine Begeisterung in seiner Haltung, und seine Gedanken waren düster. Hook war tief de-primiert.
    Das war er oft, wenn er nachts auf dem Schiff mit sich selber redete. Er war bedrückt, weil er so schrecklich einsam war. Dieser rätselhafte Mann fühlte sich niemals einsamer als in Gesellschaft seiner Hunde. Sie standen so tief unter ihm.
    Hook war nicht sein richtiger Name. Würden wir enthüllen, wer er wirklich war, dann würde das in England auch heute noch einen Skandal auslösen. Wer zwischen den Zeilen liest, ahnt es längst: Er ist in einem berühmten Internat zur Schule gegangen, und dessen Traditionen hingen an ihm wie Kleidungsstücke. Deshalb war es ihm heute noch unangenehm, ein Schiff in demselben Anzug zu betreten, in dem er es geentert  hatte, und immer noch verriet sein Gang, wie »man«
    in diesem Internat zu gehen pflegte. Vor allem aber war ihm seine Leidenschaft für »guten Stil« geblieben.
    Guter Stil! Mochte er noch so tief gesunken sein, er wußte doch, daß es darauf und nur darauf ankommt.
    Tief in seinem Innern hörte er ein Knarren wie von rostigen Portalen, ein unerbittliches »Poch Poch«, wie das Hämmern in der Nacht, wenn man nicht schlafen kann. »Hast du heute auf guten Stil geachtet?« war die ewige Frage.
    »Ruhm, Ruhm, Flitterglanz, der Ruhm ist mein«, rief er.
    »Ist es guter Stil, sich zu rühmen?« fragte das Pochen aus der Schule.
    »Ich bin der einzige, den John Silver fürchtete«, ver-teidigte er sich, »selbst Flint hatte Angst vor ihm.«
    »Silver, Flint – welche Schule haben sie besucht?« kam es schneidend zurück.
    Was ihn aber am meisten beunruhigte: War es nicht schlechter Stil, über guten Stil nachzudenken?
    Dieses Problem quälte ihn. Das war eine Klaue, die tiefer in sein Inneres schnitt, als es die eiserne je vermocht hätte, und in dieser Qual rann der Schweiß von seinem fahlen Gesicht und machte Streifen auf sein Wams. Immer wieder wischte er sich mit dem Ärmel die Stirn ab, aber der Sturzbach war nicht aufzuhalten.
    Ach, Hook war nicht zu beneiden.
    Ein Vorgefühl des frühen Todes überkam ihn. Es war, als hätte Peters schrecklicher Schwur das Schiff erreicht.

     

    Hook spürte das bedrückende Verlangen, sich selber die Totenrede zu halten, jetzt gleich, vielleicht war später keine Zeit mehr dafür.
    »Es wäre besser für Hook«, rief er, »wenn er nicht so ehrgeizig wäre.« Nur in seinen düstersten Stunden sprach er von sich selber in der dritten Person.
    »Kein Kind liebt mich.«
    Seltsam, daß er ausgerechnet daran dachte; das hatte ihn vorher nie gekümmert; vielleicht hatte Smee ihn darauf gebracht, der still vor sich hin nähte und

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