Pfad der Schatten reiter4
sich aus dem Stall in die kalte, dunkle Nacht hinaus, und ihr Lächeln erstarb. Sie sah über die Schulter zurück, als sie davonging, und beobachtete durch die offene Tür die anderen, die im Laternenlicht tanzten und tranken. Sie stopfte ihre Hände in die Taschen, kehrte dem Treiben den Rücken zu und ging schneller. Bald verklangen die Musik und das Gelächter hinter ihr, und sie fragte sich, ob sie sie alle jemals wiedersehen würde.
Am Vorabend des Aufbruchs der Expedition in den Schwarzschleierwald stand Richmont Spane mit Gillard Ardmont, den er persönlich als Teilnehmer ausgewählt hatte, vor den Türen der Zimmerflucht, die Lord und Lady Coutre und ihre Töchter bewohnten. Der Förster, gekleidet in grobes Wildleder, wirkte in der eleganten Umgebung des Aristokratenflügels fehl am Platz.
»Sie sind ein guter Mann, Ard«, sagte Richmont und legte seine Hand auf die muskulöse Schulter des Försters.
Ard war einer der vielen Diener des Klans Coutre gewesen, die Lord und Lady Coutre im Anschluss an die Unterzeichnung des Ehevertrages mit König Zacharias nach Sacor-Stadt begleitet hatten. Lord Coutre und sein Gefolge hatten beschlossen, über Land zu reisen, weshalb sie die Dienste des Försters beansprucht hatten.
Richmont hatte Ards Familie in der Vergangenheit geholfen, und dafür war Ard äußerst dankbar, dem Klan und besonders Estora gegenüber treu ergeben. Richmont hatte Lord Coutre dazu gebracht, König Zacharias und seine Ratgeber davon zu überzeugen, dass Ard an der Expedition teilnehmen sollte, um die Interessen der zukünftigen Königin zu wahren. Niemand hatte sich dem Vorschlag widersetzt, denn dadurch blieb es ihnen erspart, noch jemanden aus ihren eigenen Reihen zu schicken. Abgesehen davon würden Ards Fähigkeiten als Förster der Gruppe hochwillkommen sein.
Richmont hatte natürlich seine eigenen Gründe dafür, Ards Teilnahme zu unterstützen.
»Ich lebe nur, um dem Klan zu dienen«, antwortete Ard.
Er war ein bescheidener Mann, und Richmont schätzte diese Eigenschaft an ihm. Ard hatte keine Familie, nur seine Treue zum Klan. In Estoras Kindheit war er ihr stets als guter Freund begegnet und hatte sie viel über Gärten und Wälder gelehrt. Estora, die stets alle, die ihr dienten, gut behandelte, hatte in Ard eine Art weisen, rustikalen Onkel gesehen, und als sie noch klein war, hatte sie ihn an der Hand gehalten, während sie gemeinsam über die Gartenpfade gingen und er ihr die geheimen Geschichten der Rosen, Farne und Eichen erzählte.
Richmont wusste, dass Ard Estora nicht nur treu ergeben war, sondern sie anbetete.
»Wir verlangen sehr viel von Ihnen«, sagte Richmont, »indem wir Sie bitten, an diesen verfluchten Ort zu gehen.«
»Ich habe keine Angst vor dem Wald, obwohl ich vielleicht Angst haben sollte.«
»Sie waren schon immer furchtlos. Aber vergessen Sie Ihre andere Aufgabe nicht: Sie müssen dafür sorgen, dass die Bedrohung für Lady Estoras Ehe eliminiert wird. Fühlen Sie sich dem immer noch gewachsen?«
»Oh ja. Ich schulde Ihnen und der Dame so viel.«
»Sie sind ein guter, tapferer Mann. Also gut, in diesem Fall möchte die Dame Ihnen ihren persönlichen Segen für das Unternehmen erteilen. Aber bevor wir hineingehen, sollen Sie wissen, dass ich Ihnen fünfzig Morgen meines eigenen Anwesens übereignen werde, wenn Ihre Mission erfolgreich war.«
»Mein Herr!« Stets der bescheidene Diener, verbeugte Ard sich tief. Eigenes Land würde seine Leben erheblich verbessern – falls er den Schwarzschleierwald überlebte. »Diese Belohnung ist nicht nötig. Ich tue es zur Ehre des Klans.«
Richmont lächelte. Ja, Ard war der perfekte Mann für diese Aufgabe. »Trotzdem haben Sie nun etwas, auf das Sie sich bei Ihrer Rückkehr freuen können.« Wahrscheinlich wäre es am besten, wenn Ard nicht zurückkehrte, damit es keine Fragen darüber gab, was der Botin zugestoßen war …
Richmont klopfte an der Tür, und eine Waffe ließ sie herein. Estora saß ruhig neben ihren Eltern. Ihre jüngste Schwester Cressanda saß am Feuer und stickte. Sie befand sich in jenem köstlichen Stadium der Reife, in dem die junge Frau in ihr allmählich zu erblühen begann. Richmont leckte sich die Lippen und wandte seinen Blick schnell von ihr ab. Sobald der weibliche Körper zur vollen Reife gelangt war, hatte er kein Interesse mehr daran. Was Coutres Töchter betraf, hatte er sich stets strikt zurückgehalten. Seinen Gelüsten nachzugeben, hätte einen
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