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Pfad der Schatten reiter4

Pfad der Schatten reiter4

Titel: Pfad der Schatten reiter4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: britain
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solchen Zeremonie beigewohnt, als wilde Magie sie in die ferne Vergangenheit gezogen hatte.
    Dakrias Brown, der Hauptverwalter der Burg, stellte ihnen zu diesem Zweck seinen Aktenraum zur Verfügung. Die neueren Reiter verstummten in ehrfurchtsvollem Staunen, als sie zu den bunten Glasfenstern hinaufsahen, durch die von hinten Laternenlicht fiel. Das Licht erweckte die Abenteuer des Ersten Reiters am Ende des Langen Krieges in vibrierenden Farben wieder zum Leben. Früher einmal hatte der Aktenraum als Schlossbibliothek gedient, und ursprünglich war Sonnenlicht durch die bogengekrönten Glasfenster gefallen, aber später wurden sie im Zuge des Schlossausbaus Teil einer Innenwand. Manche meinten, das Abschotten der Fenster sei in Wirklichkeit der Ausdruck von König Agates Seeländers Abneigung gegen seine eigenen Grünen Reiter gewesen.
    Hauptmann Mebstone leitete den Gedenkkreis, sprach über Osric und seine Taten sowie über ihre eigenen warmen Erinnerungen an ihn. Dann sagte sie: »Ich erinnere mich an Osric.« Und alle antworteten: »Osric.« Danach gingen sie alle im Kreis herum, und jeder Reiter sprach den Namen eines Kameraden aus, der im Dienst gefallen war.

    Karigan stellte sich vor, dass in den Schatten zwischen den hohen Regalen, die seit Jahrhunderten staubige Akten beherbergten, Geister schwebten, die auf die versammelten Reiter hinabblickten und Anteil an ihrer Trauer nahmen. Sie wusste natürlich nicht, ob sie tatsächlich da waren, aber sie hatte das Gefühl, dass außer den Reitern noch andere Wesen im Raum anwesend waren.
    Ganz zu schweigen davon, dass es im Aktenraum den Gerüchten nach spukte …
     
    Am nächsten Tag trugen die Reiter Osrics schwarz drapierten Sarg aus der Burgkapelle durch das Labyrinth der Gänge. Der Rhythmus ihrer Stiefel auf dem Steinboden bildete einen Kontrapunkt zu der Musik, die aus dem Wintergarten drang, wo irgendein Adliger ein Fest feierte.
    Die Burg beherbergte viele verschiedene Welten. Da gab es natürlich die des Monarchen und aller seiner Vertrauten, seiner Diener und des Verwaltungspersonals, das ihm dabei half, sowohl das Schloss als auch das Land zu führen. Dann gab es die Welt des Militärstabs, die Welt der diversen Adligen und schließlich die Welt der vielen Besucher, von Menschen aus dem gemeinen Volk, die um Audienzen beim König nachsuchten, bis zu Diplomaten aus anderen Reichen. Manchmal überschnitten sich diese diversen Welten, aber meist wurde dies durch Rang und Status verhindert. Deshalb konnten innerhalb der verschiedenen Welten gleichzeitig Dutzende von parallelen, aber keineswegs miteinander verbundenen Aktivitäten stattfinden.
    Während das Küchenpersonal mit einer gründlichen Bestandsaufnahme der Vorratskammern und -keller beschäftigt war, lud vielleicht gerade ein Adliger zu einem Fest ein, und gleichzeitig betrauerten in einem anderen Teil der Burg die Reiter das Dahinscheiden eines ihrer Kameraden.

    Karigan wusste das natürlich mit ihrem Verstand, aber trotzdem spürte sie einen bitteren Geschmack im Mund, als sie sich dem Wintergarten näherten. Ein betrunkener Adliger lehnte zusammengesackt an der Wand und hob mit einem albernen Grinsen seinen Becher, als die Reiter vorbeigingen.
    Es ist ihnen völlig egal, dachte Karigan.
    Durch den Eingang des Wintergartens sah sie Tänzer und glitzernde Juwelen, und gerade steigerte das Orchester das Tempo der Musik. Es kümmerte sie nicht, dass irgendein niedrig geborener, schlichter Bote getötet worden war. Schließlich genossen sie ja das Privileg, andere sterben zu lassen, damit sie selbst in Sicherheit leben konnten. Sie waren nicht einmal bereit, ihre Albernheiten mit einer Schweigeminute zu unterbrechen, um ihren Respekt zu bezeugen.
    Andere in den Gängen taten das jedoch, und zwar die Leute aus dem einfachen Volk. Sie traten zur Seite und neigten die Köpfe, als die ernsten Reiter vorbeigingen. Soldaten nahmen Haltung an und salutierten. Niedrige Diener streckten die Hände aus, um das Banner zu berühren, das den Sarg bedeckte. Diese Menschen, dachte Karigan, waren diejenigen, die das Opfer verstanden.
    Am Fuß der Treppe zum Haupteingang der Burg wurde der Sarg auf einen Karren gelegt, und Osric wurde mit einer Eskorte Grüner Reiter nach Hause zu seiner Mutter geschickt. Ihre Flaggen wehten und knatterten in der steifen Brise, als sie wegritten.
    Während der folgenden Tage verlor der Winter allmählich seine Kraft, und die Sonne schien jeden Tag wärmer und länger.

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