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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Landen.
    Irgendwo hier in dieser Gegend im Land der Lebenden war Maggie. Wenn sie nicht ins Königinnenreich zurückgekehrt war.
    Ich hatte die irrsinnige Hoffnung gehegt, dass Cecilia aufwachen könnte, sobald wir das Seelenrankenmoor verlassen hatten. Sie wachte nicht auf. Ich war so erschöpft, dass ich sie kaum sehen konnte. » Meine Lady, ich muss schlafen.«
    Keine Antwort.
    Ich suchte uns etwas Deckung vor dem Wind unter einer Gruppe Kiefern. Cecilia setzte sich hin, wo ich sie platzierte. Ich legte mich auf den kalten und bebenden Boden, um zu schlafen – etwas, das ich noch nie zuvor im Land der Toten getan hatte. Beinahe bekam ich Angst, dass ich nicht mehr aufwachen würde, als ich in die Dunkelheit hinüberglitt. Wenn man schlief, während man hier war, starb man dann? War der Schlaf ein Weg in den Tod?
    Ich hoffte fast, dass dem so war. Wenn ich starb, würde ich wie die Toten werden und mich nicht mehr an das erinnern, was im Seelenrankenmoor geschehen war. Ich erkannte in diesem Augenblick, was ich zuvor nicht erkannt hatte: dass der Verlust der Erinnerung bei den Toten vielleicht kein Fluch, sondern ein Segen war.
    Allerdings brachte mich der Schlaf nicht um. Früher oder später erwachte ich, weinte und tastete nach Cecilia. Sie war, wo ich sie gelassen hatte. Mir war schwindlig, als ich aufstand. Ich brauchte mehr als nur Ruhe. Mein Körper hier war ein wirklicher Körper, genauso wie mein Körper auf der anderen Seite. Tage könnten vergangen sein, seit ich den Pfad der Seelen betreten hatte. Ich war noch nie so lange hiergeblieben, und ich war schwach, weil ich nichts zu essen bekommen hatte. Der Körper, den ich in dem runden, fensterlosen Raum im Seelenrankenmoor zurückgelassen hatte – wie lange konnte er ohne Nahrung und Wasser bestehen? Was würden die Männer und Frauen des Seelenrankenmoors wohl damit anstellen, wenn ich nicht bald zurückkehrte?
    Ich konnte Cecilia nicht aufwecken, aber ich konnte mit ihr sprechen, ein verzweifeltes Gespräch in einer verzweifelten Lage. » Meine Lady, ich habe einen Plan.«
    Sie starrte zu Boden, ihr Gesicht ausdruckslos.
    » Ich werde Euch zurück ins Königinnenreich bringen. Wir werden einen Ort finden, irgendwo, wo es schön ist, weit weg von hier. Am Fluss vielleicht, oder am Meer. Irgendeinen friedlichen und lieblichen Ort.«
    Aber gab es einen solchen Ort überhaupt, in diesem veränderten Land der Toten, dessen Veränderung ich selbst herbeigeführt hatte? Ich hatte so viel falsch gemacht, war in so vielem gescheitert. Aber es musste einen Ort geben, der weniger Schaden genommen hatte als der Rest, irgendwo musste eine Art friedlicher Hafen sein, und den würde ich für Cecilia finden.
    » Aber erst«, sagte ich zu ihr, » muss ich Euch hierlassen und vom Pfad der Seelen zurückkehren. Ich werde schwach, hier wie dort. Nachdem ich den Pfad verlassen habe, werde ich zurück im … im …« Ich konnte es nicht laut aussprechen: Im Seelenrankenmoor. » Zurück an jenem Ort sein. Aber sobald ich kann, werde ich dorthin eilen, wo ich Euch gelassen habe, und abermals den Pfad der Seelen betreten. Und dann …«
    Und dann was? Cecilia würde immer noch tot sein. Aber daran konnte ich nicht denken, genauso wenig wie ich nun, nachdem ich geschlafen hatte, noch an das denken konnte, was ich in Hyrgyll getan hatte. Es gibt Dinge, denen sich der Verstand verweigert. Ich verstand jetzt, weshalb Maggie und die anderen Diener das Seelenrankenmoor nicht einmal beim Namen hatten nennen wollen.
    Cecilia starrte mich ruhig aus dem Bett aus Kiefernnadeln an, auf dem wir saßen.
    Ich konnte sie nicht verlassen, noch nicht. Deshalb blieb ich noch stundenlang in dieser kleinen Bergmulde an dem dünnen Wasserfall, unter den Augen der Toten aus Jees Familie. Ich war zu schwach, um zu gehen. Ich zog Cecilia zu mir herab und legte mich mit ihr in den Armen hin, und ich sprach mit ihr. Ich sang ihr vor. Ich schürte die pathetische Illusion, dass sie irgendwie erkannte, dass ich da war. Wenn ich all das nicht getan hätte, denke ich nicht, dass es mir möglich gewesen wäre, überhaupt zu gehen.
    Schließlich küsste ich sie auf Lippen, die nichts erwiderten, biss mir fest auf die Zunge und fand mich in dem steinernen Raum in Hyrgyll wieder.
    Alle Männer und Frauen waren noch in der Steinhütte. Einen verrückten Augenblick lang dachte ich, sie wären alle gestorben: Sie saßen im widerstandslosen Dämmerzustand der Toten um mich herum. Aber als ich mit schwindligem Kopf

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