Pfad der Seelen
Maggie. » Nein, ich sollte meinen Umhang haben. Ich brauche nur einen Augenblick.«
» Nein! Ich hole ihn!« Ich marschierte davon.
Die Hütte war düster und stank; zu viele ungewaschene Leiber hatten hier zu lange zusammengelebt. Die Frau saß auf einem grob gearbeiteten Stuhl, ihr Kleid stand offen, damit sie dem Säugling die Brust geben konnte. Zwei kleinere Kinder spielten in einer Ecke mit ein paar Stöcken und Kieseln. Jee saß missgelaunt da und stocherte im Feuer; er blickte mich nicht an, als ich mir Maggies Umhang und unseren Wasserschlauch von einem Haken an der Wand schnappte. Auch der Umhang roch übel, und ich bezweifelte, dass sie diejenige war, die nachts darin schlief. Niemand sagte etwas. Ich brachte den Umhang zurück zu Maggie, die unsicher dastand, die Hände voller Schabrackenrüben.
» Lass sie hier«, sagte ich. » Ich habe noch ein paar Münzen übrig.« Und Maggie musste auch noch die beiden Silberstücke haben, die ich ihr dagelassen hatte.
Aber es war nicht Maggies Art, irgendetwas Nützliches zurückzulassen, und sie steckte die Schabrackenrüben in ihren Umhang. Wir machten uns auf den Weg zurück, den Pfad entlang, der die einzige Straße in den Unbeanspruchten Landen zu sein schien. Unter den Kiefern am kleinen Wasserfall hielt ich an.
» Roger – was ist denn, du zitterst ja!«, sagte Maggie.
Cecilia war hier. Ich konnte sie nicht spüren, aber sie war hier, im Land der Toten, das unsichtbar um uns herum existierte. Ein tiefes Schaudern überlief mich. Als ich diesmal jedoch Maggies Hand auf mir spürte, schüttelte ich sie ab.
» Es geht mir gut, Maggie. Bin nur schwach. Wir gehen noch ein paar Meilen und schlagen dann ein Lager auf, abseits des Pfades. Kannst du heute Nacht ohne Feuer schlafen?«
» Natürlich«, sagte sie. » Ich habe ja meinen Umhang.«
Maggie war niemand, der eine Gelegenheit ausließ, bei der sie beweisen konnte, dass sie im Recht war.
Wir gingen weiter bis zur Dämmerung, dann fanden wir ein verborgenes Dickicht, in dem wir die Nacht verbringen konnten. Es gab nichts zu essen; die Schabrackenrüben konnte man ohne Feuer nicht kochen. Mit vom Hunger gebeutelten Mägen rollten wir uns früh in unsere Umhänge. Als ich hörte, wie Maggie tief und gleichmäßig atmete, kroch ich aus unserem Dickicht und machte mich auf den Weg zurück hinauf zu dem Kiefernhain am Wasserfall. Der Mond nahm zu, und die Sterne schienen hell am klaren Himmel.
In den tiefen Schatten unter den Kiefern schnitt ich mir mit meinem kleinen Messer in den Arm und betrat den Pfad der Seelen.
Cecilia saß dort, wo ich sie zurückgelassen hatte, und blickte ruhig immer noch die gleiche halb verblühte Blume an; den bebenden Boden unter sich nahm sie nicht wahr, auch nicht die Blitze, die über ihr leuchteten, oder den stechenden Wind. Ich schloss sie in die Arme. » Cecilia, meine Liebste.«
Sie wehrte sich nicht und erwiderte auch nichts. Mit einem leichten Lächeln krümmten sich ihre rosigen Lippen, aber sicher nicht um meinetwillen. Es wurde durch irgendwelche unergründlichen Gedanken verursacht – wenn es überhaupt Gedanken waren –, die den Verstand der Toten erhellten. Ich saß da und hielt meine verlorene Liebste, viel zu lang. Dann stand ich auf, zog sie mit mir hoch und fing an zu gehen.
Wo immer ich im Land der Lebenden hinging – Cecilia musste ich im Land der Toten denselben Weg entlangführen. Das war die einzige Möglichkeit, wie ich sicherstellen konnte, dass ich sie nicht verlor. Ich musste sie in meiner Nähe halten, nur durch den erdigen Grabesweg zwischen den beiden Welten von mir getrennt. Ich musste es tun. Ich musste.
Ich weiß nicht recht, ob ich ganz bei Sinnen war.
Wir gingen stundenlang durch die Hügel und um die steilen Schluchten des Landes der Toten herum, über den bebenden Boden und unter dem stürmischen Himmel. Ich ließ sie an einer Stelle zurück, bei der ich mir sicher war, dass ich sie wiedererkennen würde, auch wenn sich das Land dehnte und verzerrte; es war auf dem Gipfel eines Hügels, neben einem flinken Bergbach. Es gab dort andere Tote, Männer und Frauen in seltsamer Kleidung und noch seltsameren Rüstungen, eine ganze Menge regloser Toter. Einst musste auf dem Gegenpart dieses Hügels im Land der Lebenden viel passiert sein. Alle Toten saßen oder lagen friedlich da, und es würde mir nicht schwerfallen, sie wiederzuerkennen, wenn ich zurückkehrte.
Dann stapfte ich den Weg hinauf zurück, außer Atem, schwach vor Hunger,
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