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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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aufrüttelte, aber ich ging weiter. Ich sah junge Männer und Frauen, viele von den Männern trugen Rüstungen aus verschiedenen Zeitaltern. Ich sah Kinder und Säuglinge. Ich sah die Toten, und keiner von ihnen zeigte einen Hinweis auf Gewalt oder Krankheit, obwohl sie an Gewalt oder Krankheit oder einem Unfall oder bei einer Geburt gestorben sein mussten. Aber nirgends sah ich meine Mutter.
    Und dann blieb mir das Herz stehen. Ich sah Cecilia.
    Sie saß still da, viel stiller, als ich sie je im Leben gesehen hatte, inmitten eines Fleckens aus hüfthohen, violetten Blumen. Der Großteil der Blumen war verblüht. Der Wind peitschte ihr die Stängel und braunen Blüten gegen die Haut, aber sie bemerkte es nicht. Cecilia starrte ruhig auf den donnernden Boden.
    » Cecilia!«
    Ich stolperte zu ihr hinüber. Sie blickte nicht auf, nicht einmal, als ich sie packte, auf die Füße zog, sie an mich drückte. Es schien ihr nicht aufzufallen.
    » Cecilia – nein! Nein!«
    Ich küsste sie auf die Lippen, wie ich es so viele Monate lang ersehnt hatte. Ich küsste ihre Augen, ihre Brust, ihr duftendes Haar. Nichts weckte sie auf. Sie stand gefügig da und sträubte sich nicht, sogar als ich sie voller Qual und Verzweiflung so hart durchschüttelte, dass ihr das Haar ums reglose Gesicht peitschte. Es spielte keine Rolle. Sie war tot.
    Ich hatte es nicht geschafft, sie zu finden und zu beschützen, wie ich es ihr einst versprochen hatte. Ich schluchzte an ihrem Hals, drückte sie an mich, während sie unwissend dastand – des Lebens, der Freude und der Verspieltheit beraubt. Aber als ich sie schließlich an der Hand weiterführte, ging sie hinter mir her, ohne etwas anzuschauen – oder sie blickte auf das, was immer die Toten während ihrer langen Dämmerzustände sahen. » Cecilia … ich werde einen Weg finden, dich aufzuwecken. Das werde ich!«
    Sie erwiderte nichts.
    » Ich werde dich irgendwo … irgendwo anders hinbringen. Vielleicht, wenn du erst einmal aus dem Seelenrankenmoor …«
    Das ergab keinen Sinn. Die Toten vom Seelenrankenmoor waren genauso wie die Toten überall sonst. Aber ich war jenseits aller Vernunft. Das Einzige, woran ich denken konnte, war, Cecilia von hier fortzubringen, zurück in die Unbeanspruchten Lande, zurück ins Königinnenreich. Es war eine dumme, wahnsinnige Idee, aber weil es das Einzige war, was mir einfallen wollte, fing ich damit an. Ich führte Cecilia an ihrer schlaffen Hand weiter.
    Wir stapften zwischen den Toten hindurch, die sich nicht um uns kümmerten, über den bebenden Boden, kämpften gegen den starken und überirdischen Wind. Ich kam aus dem Gleichgewicht, und als ich stolperte, fiel auch Cecilia hin. Anschließend zerrte ich sie wieder hoch und wir gingen weiter.
    Die Grenze war nicht weit weg; ich war erst letzte Nacht von dort gekommen, zusammen mit den Männern aus dem Seelenrankenmoor. Kurz bevor ich sie erreichte, fiel ich über einen weiteren Stein und stürzte schwer auf einen der Toten.
    » Alghhh! Lass mich zufrieden!«
    Es war eine alte Frau. Ich hatte sie mit einem festen Stoß meines Ellbogens in die Brust geweckt. Sie starrte mich entrüstet und wütend an.
    » Es tut mir leid …«
    Sie sah genauer hin. » Was machst du hier, Junge? Oh! Du bist … Oh! Ein hisaf!«
    Sie wusste, was ich war. Im nächsten Augenblick sah sie sich um. Ihr altes Gesicht voll tiefer Falten legte sich in noch mehr Falten. » Ich … bin tot?«
    » Ja«, sagte ich. Ich war von ihr herabgeklettert und saß jetzt auf dem Boden, Cecilia stand ruhig neben uns und blickte ins Leere. Die alte Frau sagte: » Aber ich kann nicht sterben.«
    Ich schnappte: » Jeder stirbt!«
    » Nein. Ich habe mir die Kraft von anderen Seelen geholt. Und das … das hast auch du getan!«
    Auf einmal verkörperte diese Tote aus dem Seelenrankenmoor alles, was mir geschehen war, seit ich das Moor betreten hatte. Sie verkörperte meine Gefangennahme durch die Männer, sie verkörperte den rauchigen, fensterlosen Raum, der mit Erde bedeckt war, als wäre er ein Grab. Sie verkörperte diese Droge, die man ins Feuer geworfen hatte, um meine Gedanken zu verändern, sie zwischen Schläfrigkeit und schmerzhafter Schärfe pendeln zu lassen. Sie verkörperte den grünäugigen alten Mann, der mich auf den Pfad der Seelen geschickt hatte, und sie verkörperte den wahnsinnigen Glauben, um dessentwillen Cecilia gestorben war. Ich sah diese Alte an, und der Hass über all das durchfuhr mich, gleißend und schrecklich wie die

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