Pfad der Seelen
und schlief neben Maggie ein, als gerade die Morgendämmerung anbrach.
» Roger. Roger. Wir sollten gehen.«
Ich konnte mich nicht bewegen. » Schlafen«, murmelte ich. » Weiterschlafen.«
» Das kannst du nicht«, sagte Maggies Stimme. Ich hasste diese Stimme. » Jemand könnte hinter mir her sein. Oder hinter dir. Wir müssen gehen.«
» Kann nicht.«
» Was ist denn los? Bist du krank?«
» Müde.«
Sie sagte nichts. Ich öffnete ein Auge und sah ihr trostloses Gesicht, und es war diese Trostlosigkeit, die mir die Kraft gab, mich hinzusetzen und aufzustehen. Ich hatte Maggie in all das verwickelt. Ich musste sie auch wieder hinausbringen.
Nichts davon stimmte. Maggie hatte sich selbst darin verwickelt, und ich war nur zu begierig gewesen, sie zurückzulassen, um ins Seelenrankenmoor zu gelangen, auf der Suche nach Cecilia. Aber es stimmte trotzdem, dass ich mich jetzt für sie verantwortlich fühlte. Oder nicht? Ich wusste nicht mehr, was noch stimmte. Ich stolperte weiter.
Mir war nicht klar, wie ich mich an diesem Vormittag auf den Beinen hielt, ohne Nahrung und nahezu ohne Schlaf. Aber es kam ein Augenblick, da konnte ich nicht mehr weitergehen. Die Kraft, die ich in den beiden Tagen vor der runden Zeremonienkammer der Leute vom Seelenrankenmoor angehäuft hatte, während man mich mit Nahrung versorgt hatte – all diese Kraft war aufgebraucht. Ich setzte mich auf den Weg und konnte mich nicht mehr bewegen.
» Roger?«, fragte Maggie.
» Ich … kann nicht.«
» Es ist schon gut. Lehn dich an mich. Nur noch ein wenig weiter, hier, siehst du, nur runter vom Weg und unter diese Bäume … Schau, wir sind schon fast da …« Sie ermutigte mich, redete mir gut zu, tätschelte mich mit ihrer freien Hand, brachte mich so in einen kleinen Hain und legte mich auf den dicht bewachsenen Boden. Den ganzen Morgen hatten sich Wolken gebildet, und nun fiel ein leichter Nieselregen. Ich freute mich über den Regen, er verbarg meine Tränen. Ich war am Ende meiner Kraft und meines Verstands, der noch nie besonders weit gereicht hatte. Körperlich und geistig erschöpft schlief ich ein.
Und als ich am Abend aufwachte, hatte der Regen aufgehört. Ein Feuer brannte. Essen kochte darüber. Der Ziegenbalg war prall mit Wasser gefüllt. Und Jee war da, der leise auf der Weidenflöte spielte, die ich für ihn gemacht hatte.
» Er hat das Essen mitgebracht«, erklärte Maggie, ehe ich etwas sagen konnte, » und Seile für Fallen, um kleine Tiere zu fangen. Er hat mir gesagt, dass es in Ordnung ist, ein Feuer zu machen, denn Tob ist noch nicht von seiner langen Jagd zurück.«
» Jee kann nicht mit uns kommen.«
» Er sagt, dass er nicht zurückgeht.«
» Maggie … denk doch an all die … nein.«
Jee starrte uns beide an, ausdruckslos, die Flöte auf halbem Weg zu den Lippen. Er bedeckte sie schützend mit der anderen Hand.
Maggie sprach leise: » Ich habe vorher gelogen, Roger. Ich wollte nicht, dass du es erfährst. Sein Vater schlägt Jee. Er schlägt auch Jees Mutter, und er hätte auch mich geschlagen, nur dass er sich ausgemalt hat, ich würde mit ihm ins Bett gehen. Er hat die beiden Silberstücke gestohlen, die du mir dagelassen hast. Ich hätte nur noch einen Tag auf dich gewartet – so lange hätte ich ihn mir vom Leib halten können –, dann wäre ich gegangen und hätte Jee mitgenommen. Er ist zu gut für dieses Leben.« Ehe ich antworten konnte, redete sie hastig weiter. » Er sagt, dass er nicht zurückgehen wird. Er sagt, dass er uns folgen wird. Er sagt, er wird es auch tun, wenn du ihn schlägst. Er sagt …«
» Kann er denn nichts selbst sagen?«
Jee blinzelte und sagte etwas. Seine Stimme war so belegt von seiner Angst, dass ich die Worte nicht verstand, aber es spielte sowieso keine Rolle.
» Maggie, sein Vater wird ihn verfolgen. Vielleicht verfolgt er sogar dich.«
» Ich habe dir doch gesagt, dass er gestern auf eine lange Jagd gegangen ist, kurz bevor du aufgetaucht bist. Jee meint, dass es noch mindestens drei Tage dauert, bis er zurückkommt. Bis dahin werden wir weit weg sein, wenn wir schneller gehen. Hier, iss das, und du wirst dich besser fühlen.«
Wenn wir schneller gehen. Der einzige Weg, wie ich schneller gehen konnte, war, nicht den Großteil der Nacht damit zu verbringen, Cecilia weiterzuführen, damit sie mit unseren Reisen bei Tage mithalten konnte. Aber Cecilia hatte nun eine ganze Nacht Vorsprung auf der Straße vor uns, und wenn wir noch zwei Tage reisten, ehe ich
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