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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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sie weitergeleitete …
    » Iss!«, befahl Maggie, und ich aß. Gebratenes Kaninchen, und es war herrlich. So schien es mir zumindest einen Augenblick lang, ehe die Erinnerung an jenes andere Fleisch wiederkehrte, fettig und saftig …
    Maggie sagte sanft: » Was ist los? Du hast gegessen, und dann auf einmal … Was ist los?«
    Sie begriff schnell, so viel schneller als Cecilia, sogar schneller als die Königin. Ich wollte nicht, dass ihr so viel auffiel. Und der Geschmack des Kaninchens hatte die Säfte in meinem Mund wieder fließen lassen, daher begann der Aufruhr in meinem Magen von Neuem. Ich konnte mir das Fleisch nicht ewig versagen; dann hätte ich bald gar keine Kraft mehr gehabt. Also würgte ich das Kaninchen hinunter, trank etwas Wasser und sagte: » Was sollen wir denn mit Jee anfangen, Maggie? Später?«
    » Was werden wir denn mit uns selbst anfangen?«, fragte sie. Darauf gab es keine Antwort. Aber Maggie war kein Mädchen ohne Antworten. » Wie viel Geld hast du noch?«
    » Weshalb?«, erwiderte ich.
    » Weil wir vielleicht eine Garküche in irgendeinem Dorf am Rande des Königinnenreiches aufmachen könnten, wo Soleks Soldaten nicht hingehen. Er hat gar nicht so viel Soldaten, weißt du, nicht genug, um sie im ganzen Königinnenreich aufzustellen. Wenn du genug Geld übrig hast, dass wir uns irgendein kleines Häuschen mieten und für den Anfang einfach ein wenig Gemüse kaufen können, könnte ich kochen. Jee kann das Wild jagen, und wir könnten nachts in dem Häuschen schlafen. Später, wenn wir uns bemühen, Geld zu sparen, können wir Bier anbieten. Komm schon, Roger – iss!«
    Ich aß. Ihr Plan konnte womöglich aufgehen; wir könnten mit einer kleinen, ärmlichen Garküche weit draußen in einem entlegenen Winkel des Königinnenreichs überleben. Ich stellte fest, dass ich den Gedanken verabscheute. Aber weshalb?
    Ich wusste es nicht. Vor einem Jahr wäre es mir als das Beste erschienen, das mir je widerfahren war, eine Garküche in einem ruhigen Dorf zu betreiben – weg von Hartah, weg von der Gefahr, weg von dem Zwang, den Pfad der Seelen zu betreten. Aber jetzt nicht mehr. Die Dinge lagen anders. Ich war anders.
    Inwiefern anders? Auch darauf kannte ich keine Antwort. » Du bist gewachsen, Junge. Du bist beinahe ein Mann«, hatte Mutter Chilton gesagt. Aber das war es nicht. Aus allen Jungen wurden Männer. Alle Jungen …
    » Was für einen Tag und Monat haben wir?«, fragte ich Maggie. Sie schälte gerade das übrige Kaninchenfleisch von den Knochen und wickelte es in ein sauberes Tuch. Sie musste nicht einmal nachdenken, um mir zu antworten.
    » Der Monat ist Sacter, der zehnte Tag.«
    Ein Monat vor der Sommersonnenwende. Heute war mein Geburtstag. Ich war fünfzehn geworden.
    Zwei Tage lang marschierten wir und schlugen nachts ein Lager auf, während der Mond weiter zunahm. Einmal erhaschte ich von einem bewaldeten Hügelkamm aus einen Blick auf Soldaten im Tal darunter. Suchten sie nach Cecilia? Sie würden sie jetzt nicht mehr finden. Der Gedanke spendete mir keinen Trost.
    Jee sprach wenig, aber ohne ihn hätten wir Nahrung in Häusern oder Herbergen kaufen müssen und damit sowohl unsere Anwesenheit verraten als auch meine Münzen ausgegeben. Jee, das Kind, war der Einzige von uns, der jagen konnte, und die Schlingen, die er jede Nacht auslegte, sorgten für einen stetigen Strom von Kaninchen. Es waren Frühlingshasen, ohne viel Fleisch auf den Knochen, aber Maggie briet sie mit wilden Rüben und frisch geknospten Kräutern, die sie pflückte, während wir unterwegs waren, und am dritten Tag hatte ich genug Kraft, um zurückzugehen und Cecilia zu holen. Als alle anderen schliefen, betrat ich den Pfad der Seelen. Es war ein langer, mühsamer Marsch zu dem windigen Hügelgipfel, auf dem ich Cecilia zurückgelassen hatte. Sie folgte mir widerstandslos, während ich sie von den Bergen herabführte. Es war hier um einiges schwieriger als im Land der Lebenden, weil der Boden so bebte. Einmal verschob er sich sogar, ein plötzlicher seitlicher Ruck, der uns ein paar Fuß weit in ein Dornengebüsch schleuderte. Ich richtete mich blutend und zerschlagen wieder auf. Cecilia erhob sich mit ihrem grünen Kleid sauber wie eh und je, ihre weiche Haut ohne Kratzer, ihre Augen leer. Über uns ließ der Wind nicht nach, und Donner krachte in den Wolkenfetzen.
    Ich konnte Cecilia nicht wecken, aber ich hatte das Land der Toten erweckt, sein Ungestüm und seine Verformung hervorgebracht. Auch dies

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