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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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vorübergingen.
    » Es ist gut, Kauz. Es ist gut. Mir geht es gut.«
    » Herr Hexe«, sagte er undeutlich. » Alles gut?«
    » Alles bestens.«
    » Alles gut.«
    » Mir geht es gut. Danke, Kauz.« Nun kam mir ein weiteres Problem in den Sinn – was würde ich mit ihm anfangen? » Weißt du, wo du bist?«
    Er deutete auf den Strand und sagte einfach: » Meer.«
    Natürlich. Er war ein Seemann. Wo immer das Meer war, war Kauz zu Hause. Er würde mich bis dorthin begleiten, wo die Küste flacher wurde, ein Schiff finden, auf dem er anheuern konnte, und das Leben wieder aufnehmen, dass Hartah ihm gestohlen hatte – und alles, ohne je zu begreifen, dass eben dieses Leben ausgelöscht worden war. Wenn er vom Hexenland erzählte, wenn er in seinem schwachsinnigen Genuschel darüber plapperte, würde ihm niemand glauben.
    Plötzlich wollte ich, dass er weg war. Ich wollte allein sein, den Pfad der Seelen betreten und Cecilia zurückholen. Nichts anderes spielte eine Rolle, nichts anderes füllte meinen Verstand aus …
    Weshalb holten die hisaf nicht grundsätzlich ihre geliebten Verstorbenen zurück?
    Die Frage peinigte mich, und sie wollte nicht verschwinden. Eine mögliche Antwort war: Vielleicht taten sie es. Aber wenn dem so war, weshalb hatte mein Vater meine Mutter nicht zurückgeholt? Das brachte mich zu meinen ältesten Fragen zurück: Weshalb hatte er sie überhaupt erst verlassen, und was war in Hyrgyll geschehen und hatte dort zu ihrem Tod geführt? Wenn ich sie im Land der Toten im Seelenrankenmoor gefunden hätte, hätte ich ihr diese Fragen stellen können. Aber ich hatte sie nicht gefunden, und ich würde jetzt nicht ins Seelenrankenmoor zurückkehren. Ich musste Cecilia hierherbringen.
    Aber erst musste ich ruhen. Alles in mir war schwach geworden, von der unnatürlichen Anstrengung aufgebraucht. Aus meiner Tasche fischte ich sechs Pennys heraus und gab sie Kauz. » Hier, such eine Hütte – oder irgendetwas – und kaufe Brot und Käse. Bring es her.« Fast noch bevor ich die Worte geäußert hatte, schlief ich schon, lag dort auf dem Weg zwischen der Hütte und der Lichtung, wo der blonde Jüngling in der Luft um sich getreten hatte. Ich musste einen ganzen Tag durchgeschlafen haben, denn als ich aufwachte, war es wieder Nachmittag, die Sonne schien durch die halbentfalteten Blätter, und Kauz war fort.
    Ein Laib Brot, auf dem es bereits vor Ameisen wimmelte, lag neben mir auf dem Boden. Der Wasserschlauch aus Ziegenbalg war gefüllt. Kauz hatte sich um meine Bedürfnisse gekümmert, bevor er vor Herrn Hexe geflohen war, der ihn jeden Augenblick zurück ins Hexenland hätte schicken können. Ich machte ihm keinen Vorwurf. Ich wischte die Ameisen vom Brot, aß die Hälfte und zwang mich dazu, den Rest aufzuheben.
    Als Nächstes suchte ich einen Bach, badete und wusch meine Kleider, wobei ich mich nach der scharfen Seife in Joan Campfords Wäscherei sehnte. Der Bach, der von den Bergen herabschoss, war so kalt, dass ich aufschrie, als ich zum ersten Mal hineintauchte und das Wasser meinen Unterleib berührte. Dennoch schrubbte ich mich mit Kies ab, bis meine Haut rot war. Ich wollte für Cecilia sauber sein.
    Als ich und meine Kleider in der hellen Sonne getrocknet waren, fuhr ich mir mit den Fingern durchs Haar, um es zu kämmen, und rasierte mir das Gesicht mit meinem kleinen Messer, ein Vorgang, der blutig ausging, sodass ich die Wunden versorgen musste. Als alles fertig war, pflückte ich einen Strauß Frühlingsblumen und eine Reihe wilder Erdbeeren, begab mich zurück zur Hütte auf der Lichtung und betrat den Pfad der Seelen.
    Einen langen, schrecklichen Augenblick glaubte ich, zurück beim Wrack der Frances Ormund zu sein.
    Regen peitschte mir ins Gesicht, so hart und dicht, dass ich kaum etwas sehen konnte. Regen, im Land der Toten! Der Sturm wehte von der Seite heran, riss mich von den Füßen. Ich rappelte mich auf und tastete mich über die Lichtung vor, einen Schrei auf den Lippen: » Cecilia! Cecilia!«
    Ein Baum krachte zu Boden und verfehlte mich nur knapp. Ich konnte sie nicht finden. Der heulende Wind riss meine Schreie mit sich, sobald ich sie ausstieß. Weshalb rief ich überhaupt nach ihr? Sie konnte mich nicht hören, konnte nicht reagieren … Wo war sie? Was, wenn sich das Land ausgedehnt hatte, wie es so oft geschah, sodass die Lichtung nicht hier war, sondern meilenweit entfernt … durch diesen ganzen prasselnden Regen … Krach! Ein Blitz fuhr eine Meile entfernt in den Boden

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