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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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man schlafen, wenn du so herumjaulst!«
    » Keine Ahnung«, sagte eine weitere Stimme, genauso verärgert. » Ich habe es satt, etwas von Frances Ormund zu hören! Wer ist sie, deine Liebste? Dann leg dich zu ihr und nicht zu mir!«
    Frances Ormund. Ich wurde von Furcht übermannt. Was hatte ich gesagt, und was würde ich beim nächsten Mal im Schlaf ausplaudern, vielleicht neben jemandem, der verstand, was er hörte? Blind tastete ich mich durch die Lehrlingskammer und hinaus, um einen anderen Schlafplatz zu suchen. Das Beste, was ich auftreiben konnte, war die Küche der Dienerschaft, unter einem der langen Tische, an denen wir unsere Mahlzeiten einnahmen.
    Nachdem ich ein paar Stunden unruhig geschlafen hatte, schüttelte mich eine weitere Hand an der Schulter. » Was machst du hier? Du kannst hier nicht schlafen!«
    Noch etwas benebelt öffnete ich halb die Augen. Ein Mädchen kauerte sich neben mir unter den Tisch. Gerade aus irgendeinem Traum erwacht, dachte ich, sie sei Cat Starling. Ehe ich wusste, was ich tat, hatte ich sie schon an mich gezogen und geküsst.
    Sie schlug mir hart auf die Nase.
    » Wie kannst du es wagen, mich so zu behandeln! Wer bist du? Wache! Wache!«
    » Nein, warte – bitte!« Meine Nase brannte, vor Qualen gingen mir die Augen über. » Ich bin Roger Kilbourne, die Wäscherin! Bitte, ruf nicht die Wache!«
    Sie hielt inne, in sicherem Abstand von mir. » Ein Junge als Wäscherin?«
    » Ja, ich … es tut mir leid, dass ich dich geküsst habe. Ich habe geträumt und … es tut mir leid!«
    Aber das tat es nicht. Es war das erste Mal, dass ich je ein Mädchen geküsst hatte, und trotz der Schmerzen in meiner Nase – hatte sie sie mir gebrochen? – konnte ich ihre weichen Lippen noch auf meinen spüren. Sie war Cat Starling, sie war Lady Cecilia, sie war eine Küchenmagd in einem dunkelgrünen Kleid und mit einem weißen Kittel, in der perlweißen Dämmerung. Abermals wurde mein Glied steif. Würde das den Rest meines Lebens so weitergehen, diese Besessenheit von Mädchen? Wie sollte ich das nur aushalten?
    » Was machst du hier?«, wollte das Mädchen wissen. » Wenn du eine Wäscherin bist, weshalb schläfst du dann nicht in der Lehrlingskammer?«
    » Das habe ich doch. Sie haben mich hinausgeworfen. Ich … ich schreie im Schlaf, und das macht sie unruhig. Ich wollte dir nichts Böses!«
    Sie musterte mich ernsthaft. An ihr war gar nichts von der geistigen Beschränktheit einer Cat Starling, gar nichts vom Kokettieren einer Lady Cecilia. Dies war ein Mädchen, das an harte Arbeit gewöhnt war, und sie hatte keine Flausen im Kopf. Sie war ganz ansehnlich, aber nicht schön, ihr blondes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt, ihre Augen von einem hellen, taxierenden Grau. Kleine Verbrennungen und Schnitte bedeckten ihre Hände: Küchenverletzungen.
    » Ich glaube dir«, sagte sie. » Jetzt geh.«
    » Das mache ich. Aber meine Nase … ich glaube, du hast sie mir womöglich gebrochen …«
    » Das hast du auch verdient. Oh, schon gut, bleib sitzen und halt dich ruhig.«
    Sie brachte mir einen Lappen, der mit kaltem Wasser getränkt war. Ich hielt ihn mir an die Nase und beobachtete, wie sie das Feuer schürte und Brotteig zu kneten begann, der über Nacht zum Aufgehen in der Wärme des heruntergebrannten Feuers stehen gelassen worden war. Weitere Diener trafen ein, warfen mir einen Blick zu und nahmen keine Notiz mehr von mir. Ein paar Männer kamen von den Ställen herein und setzten sich ans gegenüberliegende Tischende, wo sie sich unterhielten und mit den Frauen scherzten, schon eine Stunde vor dem Frühstück. Mir wurde klar, dass es im Palast noch ein Leben jenseits der Waschküchen gab.
    » Ich bin neu hier«, sagte ich zu dem Mädchen. Ihre starken Arme, bis zum Ellbogen nackt, kneteten das Brot. » Ich heiße Roger Kilbourne.«
    » Das hast du schon gesagt.«
    » Wie heißt du?«
    » Weshalb sollte dich das etwas angehen?«
    » Damit ich der Königin sagen kann, wer mir die Nase gebrochen hat. Soweit ich weiß, lässt sie alle Verbrechen sorgfältig aufzeichnen.«
    Das Mädchen hörte auf zu kneten, starrte mich an und lachte zurückhaltend. Ich war von mir selbst überrascht. Woher hatte ich den Mut genommen, mit diesem Mädchen zu scherzen, überhaupt mit Mädchen zu scherzen? Bei Cat Starling hatte ich einen Beschützerinstinkt verspürt, bei Lady Cecilia war ich mir wie ein Trottel mit versteinerter Zunge vorgekommen. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen ich je

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