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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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ganze Küche. Die anderen Dienerinnen, die mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, achteten nicht auf uns. » Sprich dieses Wort hier nicht laut aus! Was ist nur los mit dir?«
    » Ich …«
    » Halt den Mund!«
    Ich hatte noch nie gesehen, dass Maggie Angst hatte. Sie war immer ruhig, verlässlich, ging unerbittlich ihren Aufgaben nach. Ich flüsterte: » Es tut mir leid. Ich kenne mich einfach nicht aus. Aber bitte sag es mir … ich muss es wissen.«
    » Warum?«
    » Meine Mutter ist dort gestorben.«
    Maggie erstarrte, und dann erschauerte ihr ganzer Körper, ein langes Beben, das deutlich von ihrem Hals ihre Wirbelsäule hinablief. Sie blickte mich mit einem Entsetzen an, in das sich eine Art Traurigkeit mischte.
    » Roger … sag das niemals, nie wieder zu irgendjemandem. Zu mir hast du nichts gesagt. Ich habe es nicht gehört.«
    » Aber …«
    » Ich habe es nicht gehört!«
    Sie wandte sich um und ging von mir fort, ihr halb fertig geknetetes Brot ließ sie auf dem Tisch zurück – Maggie, die niemals eine Aufgabe liegen ließ, ohne sie beendet zu haben. Ich fasste sie am Arm. » Maggie, geh nicht!«
    Sie riss ihren Arm los und starrte mich an, sagte aber nichts.
    » Du musst mit mir sprechen!«
    » Ich muss gar nichts.«
    Leute fingen an, sich nach uns umzudrehen. Wieder wandte Maggie sich ab, doch irgendetwas brachte sie zurück. Ihre Stimme wurde nicht weicher, auch wenn sich ein seltsamer Ton hineinschlich. » Roger, du kannst nichts für dein Unwissen, das weiß ich. Du kannst nicht einmal lesen, oder? Versuch einfach, ganz ruhig deine Arbeit zu tun.«
    Meine Arbeit. Glätteisen, Färbewannen und Eimer um Eimer um Eimer mit Wasser. Das war alles, was sie in mir sah: Roger die Wäscherin. Auf einmal wollte ich Maggies schlechte Meinung über mich nicht länger dulden. Sie war mein einziger Freund im Palast, und ich war für sie nur eine trottelige Wäscherin, deren Hände oft grün waren. Und sie wollte mir nicht verraten, was ich über das Seelenrankenmoor wissen musste. Ich musste sie dazu bringen, mir mehr zu erzählen. Zorn, Scham und ein verzweifeltes Verlangen, sie zum Sprechen zu bringen, wirbelten gemeinsam durch meinen Verstand, verarbeiteten ihn zu Brei, und dieser Brei war mit meinem Instinkt gewürzt, dass man Maggie vertrauen konnte.
    Ich ging dicht heran und flüsterte ihr ins Ohr: » Ich kann den Pfad der Seelen ins Land der Toten betreten.«
    Maggie zuckte vor mir zurück. Sie starrte ungläubig, dann breitete sich Abscheu auf ihren Zügen aus. Sie schüttelte den Kopf.
    » Ich hätte dich nicht für einen Lügner gehalten, Roger. Für ahnungslos, ja, aber nicht für einen Lügner.«
    Abermals schüttelte sie den Kopf, und ging von mir fort, ihr Rücken ganz gerade. Den restlichen Tag über hielt sie sich von mir fern, und als sie am nächsten Morgen in die Küche kam, hatte sie ein weiteres Mädchen dabei. Und an allen kommenden Tagen auch.
    Ich war einsamer als je zuvor, allein in diesem Palast, inmitten der wimmelnden Stadt, die sich wiederum in den Ring aus Feldern und Tiefland und Hügeln und Bergen schmiegte. Der Winter wich der scharfen Frische des frühen Frühlings. Ich war seit sechs Monaten am Hof, schrubbte und kochte und glättete und färbte und schleppte. Und ich hätte bis in alle Ewigkeit so weitermachen können, wenn nicht die Hochzeit des Prinzen gewesen wäre, die einmal mehr alles veränderte.

11
    »Mehr Wasser! Mehr Wasser, Junge!«
    Ich schleppte seit der Morgendämmerung Wasser heran, meine Schultern fühlten sich an, als würden sie abfallen; inzwischen war es beinahe Abend – und immer noch verlangte Joan Campford mehr Wasser. Der offene Hof der Wäschereien war voll rennender Frauen, die die Röcke gerafft hatten, um sie vom nassen Steinboden fernzuhalten.
    » Mehr Wasser! Wir brauchen mehr Wasser!«
    In Kesseln brodelte es, Kleider flatterten in einem unruhigen Wind, und ich war noch nie in meinem Leben so müde gewesen. Um es noch schlimmer zu machen, war der Frühling einem plötzlichen, unvernünftig späten Kälteeinbruch gewichen. Das Wasser, das ich vom Fluss zu den Kochtrögen heraufschleppte, war beinahe eiskalt, der Hof in der Nähe der Kochtöpfe feurig, und die geschlossenen Glättkammern dampften wie nasses Holz in einem frischen Feuer. Mir war in einem fort zu kalt, zu heiß, oder ich wurde von Müdigkeit überwältigt.
    » Mehr Wasser!«
    » Ich kann kein Wasser mehr holen!«
    Das waren Worte, von denen ich nicht einmal geahnt hatte, dass ich sie

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